150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung
Atalante150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung

150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung

Pro familia, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und viele andere rufen zum bundesweiten Aktionstag am 15. Mai 2021 auf.

In ganz Deutschland werden Aktionen stattfinden, von einer Menschenkette um den Reichstag, über Kundgebungen und Podiumsdiskussionen, bis hin zu Social Media-Kampagnen. Weiter Informationen dazu gibt es beim Bündnis für Sexuelle Selbstbestimmung. Pro familia ruft Organisationen dazu auf, den Aufruf des Bündnisses zu unterzeichnen, für Einzelpersonen gibt es eine Petition auf Change.org.

Hintergrund

1871, also vor 150 Jahren, wurde im Reichsstrafgesetzbuch der §218 eingeführt. Frauen, die eine Schwangerschaft abbrachen, drohte eine bis zu fünfjährige Zuchthausstrafe.

In der ehemaligen DDR, als auch in Thüringen, galt seit 1972 die Fristenregelung ohne Beratungspflicht. Der § 218 stand nicht mehr im Strafgesetzbuch. Mit dem „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ konnten Schwangere innerhalb der ersten 12 Wochen selbst über die Fortsetzung oder den Abbruch ihrer Schwangerschaft entscheiden. Der Abbruch wurde finanziert durch die Gesundheits- und Sozialversicherung und verbunden mit dem Anspruch auf unentgeltliche Verhütungsmittel.

In der BRD galt die Indikationsregelung von 1976: Nur bei medizinischer, kriminologischer, ethischer, embryopathischer oder sozialer Notlage konnte die Person eine Abtreibung vornehmen lassen. Ob eine „Notlage“ vorlag, musste nach der Regelung von 1976 nach einer Zwangsberatung entschieden werden.

Pro familia und andere Organisationen wollten nach der „Wende“ die Fristenregelung der DDR ohne Zwangsberatung übernehmen. Das scheiterte an heftigen Aktivitäten der konservativen Parteien, der Abtreibungsgegner*innen und der selbsternannten „Lebensschützer*innen“.

Aktuelle Regelungen

In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch laut §218 Strafgesetzbuch (StGB) noch immer rechtswidrig. Eine Strafe kann umgangen werden durch eine Bestätigung einer medizinischen Indikation (körperliche und seelische Beeinträchtigung), einer kriminologischen Indikation (Vergewaltigung) oder eine Beratung, die laut Schwangerschaftskonfliktgesetz zwar ergebnisoffen sein, aber gleichzeitig dem „Schutz des ungeborenen Lebens“ dienen soll.

Das Gesetz von 1995 sieht eine Fristenregelung von drei Schwangerschaftsmonaten mit Beratungspflicht vor. Die schwangere Person muss innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch eine Bescheinigung nach § 219 StGB nachweisen, dass sie sich durch eine anerkannte Beratungsstelle hat beraten lassen. Frühestens am vierten Tag nach der Beratung kann dann auf Verlangen der Schwangeren der Abbruch durch eine*n Ärzt*in vorgenommen werden. Jede verpflichtende Beratung sowie die drei Tage „Bedenkzeit“ sind für Berater*innen, Ärzt*innen und die Schwangeren problematisch und erschweren den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch.

Ebenso der §219a StGB, der das sogenannte Werbeverbot für Ärzt*innen festschreibt, bei dem es sich jedoch de facto um ein Informationsverbot handelt und der es Schwangeren erheblich erschwert, die unter §218a geregelte eingeschränkte Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs überhaupt wahrzunehmen.

Forderungen

Ein breites Bündnis feministischer Gruppen und Akteur*innen, wie u.a. das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, fordern seit langem die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die ersatzlose Streichung des §218.

Stattdessen sollen Angebote der freiwilligen Beratung ausgebaut und Krankenhäuser dazu verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das würde den Zugang zu und die Versorgung mit reproduktiver Medizin gewährleisten, die vom Gesetzgeber zugesichert wird.

Wichtig ist darüber hinaus, dass alle Menschen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen über Sexualität und zu Methoden der Schwangerschaftsverhütung haben. Verhütung ist Teil der sexuellen Rechte. So ist die „Pille danach“ eine bedeutsame Notfallverhütung. Sie kann eine Schwangerschaft verhindern, wenn sie rechtzeitig eingenommen wird. Dafür stellte, gerade in ländlichen Räumen, die bis März 2015 bestehende Rezeptpflicht eine hohe Hürde da.

Der pro familia Bundesverband nimmt die 150igste Jährung der Einführung des §218 zum Anlass eine Debatte anzustoßen, bei der das Recht auf Selbstbestimmung im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte im Mittelpunkt steht. Dazu gehören zum Beispiel die Verbesserung der Versorgungslage und der medizinischen Ausbildung sowie die gesellschaftliche Entstigmatisierung.

Weitere Informationen zum Schwangerschaftsabbruch findet ihr hier:

Doctors for Choice Germany

Pro familia Bundesverband

Liste von Ärzt*innen, Kliniken und Einrichtungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

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