Ein Bericht vom Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen in Istanbul am 25. November 2021
AtalanteEin Bericht vom Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen in Istanbul am 25. November 2021

Ein Bericht vom Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen in Istanbul am 25. November 2021

Autorin: Dulina, ehemalige Praktikantin Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen

Am 25. November wird weltweit – und das nun seit 40 Jahren – der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen (eng. International Day for the Elimination of Violence against Women) als Aktions- und Gedenktag abgehalten. In zahlreichen Städten wie Berlin, Madrid und London sowie in Ländern wie Chile, Mexico und Venezuela gehen jedes Jahr tausende von Menschen auf die Straße, um somit auf Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegen Mädchen und Frauen aufmerksam zu machen – und das auf der ganzen Welt.

Aufgrund meines Auslandssemesters befand ich mich am 25. November 2021 in der Türkei. Ich entschied mich somit dazu, zu diesem Anlass mit meinen Freunden an den in Istanbul stattfindenden Kundgebungen teilzunehmen. Mehrere Hundert Menschen versammelten sich an diesem Tag im Zentrum der Millionenmetropole, um sich somit auch hier den weltweiten Protesten und Aktionen anzuschließen. Ein besonders wichtiges Anliegen war es den Demonstrierenden in Istanbul an diesem Tag zudem die türkische Regierung dazu aufzufordern, wieder dem internationalen Übereinkommen der Istanbul-Konvention zurückzukehren.

Die Stimmung an diesem Tag in Istanbul war aufgeladen und angespannt. Bereits Stunden vorher war eine gewisse Elektrizität rund um den großen Taksim Platz und die zentrale Istiklal Meile mitten im Herzen der Stadt auf der europäischen Seite zu spüren gewesen.

Die zwar auch an sonstigen Tagen deutlich wahrzunehmende Polizeipräsenz der Stadt war am 25. November bereits Stunden vor der Kundgebung verstärkt zu bemerken. Mehrere Straßen und normale Zugänge wie auch öffentliche Verkehrsmittel wurden rund um die bekannte Istiklalstraße lange bevor die Kundgebung losgehen sollte gesperrt und abgeriegelt.

Dass in einer Stadt wie Istanbul, in einem Land wie der Türkei, die Thematik rund um Gewalt gegen Frauen spannungsgeladen ist, wird wahrscheinlich niemanden überraschen. Gerade unter der Regierung Recep Tayyip Erdogan haben sich Fragen im Bereich der Gleichberechtigung von Frauen und des Feminismus in den letzten Jahren eher rückschrittlich entwickelt. Frauen und Mädchen sind in der Türkei immer wieder Diskriminierung und Gewalt jeglicher Form ausgesetzt. Die Demonstration in Istanbul verdeutlichte an diesem Tag, wie dringend erforderlich für die liberalen IstanbulerInnen die allgemeine Stärkung von Frauenrechten in der Türkei ist. 

Im Sommer 2021 trat die Türkei aus der Istanbul- Konvention aus, um somit konservativen Kreisen entgegenzukommen, welche in dieser Konvention eine Gefährdung der Einheit der Familie sehen.  Die Konvention als völkerrechtlicher Vertrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen stellt ein Übereinkommen des Europarates da und wurde ironischerweise 2011 in Istanbul unterzeichnet.

Die Frauen hier sind wütend. Selbstgestaltete Banner mit den Aufschriften wie „Schweigt nicht zu männlicher Gewalt“ oder „Die Istanbul Konvention ist unsere“ wurden durch die Straßen getragen.

Stolz und laut, kreativ, tanzend und singend versammelten sie sich an diesem Tag an einem der zentralsten Punkte der Türkei. Beeindruckend war: Es war keine Befangenheit oder gar Angst zu spüren. Die Polizeipräsenz, welche während des ganzen Geschehens stetig zunahm und an allen Ecken und Enden immer intensiver zu spüren war, schien hier niemanden einzuschüchtern. Während der Kundgebung fing die Polizei an, die Istiklal an der Spitze des Protestierendenzuges mit einem Zaun abzuriegeln. Hinter diesem mündete ein Meer aus Polizeikräften.

Desto provokanter die Polizei, desto lauter und bestimmter wurde der sich entgegensetzende Zug der Protestierenden. Am Zaun der Spitze der Kundgebung wurde gerüttelt und die Banner mit klarer Botschaft weiter gut sichtbar in die Höhe gehalten.

Der erste Einsatz von Tränengas ließ dann nicht lange auf sich warten. Die Spitze der Demonstrierenden wich nach hinten zurück. Das reichte allerdings nicht aus, um all die angestaute Wut und den Zorn erlöschen zu lassen. Es wurde weiter getrommelt, getanzt und Parolen lautstark über die Straße gerufen. Alle Demonstrierenden machten an diesem Tag eines deutlich – keiner von ihnen wollte länger leise sein.

Die Kundgebung wurde durchbrochen, indem die Polizei den Zaun zu den Demonstrierenden durchbrach und dann zusätzlich zum Tränengas mit Rauchgranaten den kompletten Zug zurückdrängte. Die Polizei kam von diesem Punkt an von überall herbei und löste somit das gesamte Geschehnis auf. Dem Tränengas und all den PolizistInnen ausweichend schwärmten die Demonstrierenden in alle Himmelsrichtungen in die Nacht davon.

Es blieb jedoch eine Stimmung des Aufruhrs übrig, welche auch Tage später noch in der Stadt zu spüren war. Weitere Kundgebungen fanden die nächsten Tage über die ganze Stadt verteilt von der europäischen bis zur asiatischen Seite hin statt. Die Frauen und alle Teilnehmenden an diesem Tag in Istanbul beeindrucken mich in einem Ausmaß, das ich vorher so nicht erwartet hatte.

Am 25. November in Istanbul – am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen – wurde durch den Mut aller Demonstrierenden ein weiteres Zeichen zur Stärkung der Rechte aller Frauen gesetzt und der Wille zu Veränderung durch die Straßen der türkischen Millionenmetropole Istanbuls getragen.

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