Larissa Barth macht Konzeptkunst, meistens in einem gesellschaftskritischen Bereich in ganz verschiedenen Medien.
Im Interview sprachen wir mit ihr über die Entstehung und Entwicklung des Projekts und die Reaktionen darauf, über Feminismus in der Kunst und notwendige Veränderungen in der Wahrnehmung von Geschlechtern.
Das Interview führten Stefanie und Sabine am 26. Februar 2021.
Walter ≠ Bauhaus (walterisnotequaltobauhaus/ Walter ist nicht gleich Bauhaus) war Teil von Larissas Diplomarbeit an der Bauhaus Universität Weimar. Das Projekt besteht aus einer Fotoserie von mittlerweile 108 Portraits, die unter anderem auf Instagram zu sehen sind. Die Serie macht nicht-cis-männliche Personen sichtbar, die im Zusammenhang mit dem Bauhaus arbeiten, studieren oder forschen. Damit möchte Larissa der bisherigen Repräsentation des Bauhauses entgegenwirken und dem ein neues Bild entgegenstellen, um die Repräsentation des zeitgenössischen Bauhauses zu verbessern.
Stefanie: Hallo Larissa. Wie hast du die Idee zu Walter ≠ Bauhaus entwickelt und worum handelt es sich?
Larissa: Der Ausgangspunkt war für mich auf jeden Fall die bisherige #Repräsentation sowohl des historischen als auch des zeitgenössischen Bauhauses. Gerade auch die Repräsentation der Geschichte im neuen Bauhausmuseum war für mich sehr enttäuschend und der Grund, warum ich dieser bisherigen Repräsentation, die hauptsächlich durch#cis-männliche Personen und deren Arbeiten geprägt ist, auch etwas entgegenstellen und dem entgegenwirken will. MEHR LESEN
Das knüpft natürlich auch an jede andere Repräsentation des Bauhauses an, wie Publikationen und andere Ausstellungen. Oft werden Frauen nur am Rande erwähnt, genderqueere Personen oft gar nicht. Wenn mal die Werke von Bauhausfrauen im Mittelpunkt stehen, dann sind das oft Sonderausstellungen und Sonderpublikationen. Also „Frauen am Bauhaus“ oder ähnliches, die natürlich auch die Rolle von Frauen am Bauhaus sichtbar machen und positiv zur Repräsentation beitragen. Aber insgesamt ist die allgemeine Erzählung der Geschichte des Bauhauses einfach durch die bekannten männlichen Vertreter geprägt wie Walter Gropius et cetera. Und um dem entgegenzuwirken ist eben die Fotoserie „Walter is not equal to Bauhaus“ entstanden. Das Ganze basiert auf einem Open Call (Anm. Atalante: öffentlicher Aufruf), zu dem sich alle nicht cis-männlichen Personen melden konnten, die im Zusammenhang mit dem Bauhaus arbeiten, studieren oder forschen. Die konnten sagen „Hey, ich würde mich gerne porträtieren lassen“, es gab eine kurze Info darüber, was der Zweck des Projektes ist und auf Basis dessen ist eben diese Fotoserie entstanden.
Stefanie: Wie waren denn die Reaktionen auf das Projekt Walter ≠ Bauhaus?
Larissa: Noch bevor jemand auf das fertige Projekt reagieren konnte, stand ja erst mal die Reaktion auf den Open Call und alleine die war ganz großartig. Schon nach drei Monaten hatten sich über 60 Personen gemeldet, um sich fotografieren zu lassen und wir hatten da schon über 600 Follower:innen und das war einfach auch eine Bestätigung für die Relevanz dieses Themas, das war ganz wunderbar. MEHR LESEN
Aber viel spannender war dann noch, was diese Personen, die ich unter schwierigen Corona-Bedingungen getroffen habe und kennenlernen durfte, dazu gesagt haben. Es waren ja wirklich Personen mit verschiedenen Hintergründen, auch verschiedene genderqueere Personen, um das Bild zum Glück so divers wie möglich zu halten, das war mir auch super wichtig. Da sind noch mal ganz andere Perspektiven dazugekommen und Aspekte aufgetaucht, an die ich persönlich vielleicht nicht direkt gedacht hatte. Zu hören wie unsichtbar sie sich teilweise in der heutigen #Repräsentation der Uni fühlen, nicht nur in dem größeren Kontext, sondern auch im alltäglichen Leben, das hat mich nur noch mehr motiviert das Projekt weiterzuführen und auch in der Größe weiterzuentwickeln, wie es jetzt passiert ist.
Darauf sind die Reaktionen auf die ersten Fotos gefolgt und der Instagram-Account ist weiter angewachsen, mittlerweile sind wir bei fast 950 Follower:innen und auch sonst gab es natürlich Anfragen für Interviews auch von anderen Projekten wie Radio Lotte. Es war schön auch nochmal auf ganz anderen Kanälen ganz andere Personen zu erreichen, explizit auch auf Kanälen, die sich nicht nur mit feministischen Themen beschäftigen.
Und dann hat ja alles die Krönung gefunden in der Projektion auf die Fassade des Bauhausmuseums. Da sind dann alle Fotos in einer Art Diashow abgelaufen, in deutlicher Überlebensgröße. Sehr monumental, um damit eben das Projekt, aber auch die Message in den öffentlichen Raum zu tragen, wo ja auch im Alltag sehr viel Geschichtsdarstellung wahrgenommen wird. Gerade auch in Weimar, wo an jeder Ecke ein Denkmal oder ein historisches Gebäude steht. Und damit ist das Ganze nicht nur im virtuellen Raum verankert und kann auf die Unterrepräsentation von #FLINTA*Personen aufmerksam machen, sondern eben auch im öffentlichen Raum, im besten Fall im Alltag. Trotz des durchaus mäßigen Wetters zum Abend der Veranstaltung und obwohl alle Fotos ja auch anders zugänglich sind, hat diese Form der Präsentation doch nochmal einen eigenen Reiz gehabt und sehr viele Menschen waren da, um sich das anzuschauen. Da haben sicherlich auch in den kleinen Gruppen, die sich teilweise gebildet haben, nochmal Diskussionen stattgefunden und vielleicht neue Perspektiven und neue Gedanken aufgeworfen für Personen, die sich noch nicht so stark mit dem Thema auseinandergesetzt hatten.
Von daher bin ich insgesamt überwältigt von den Reaktionen und sobald die Situation besser ist, würde ich auch gerne das Projekt fortsetzen, aber momentan ist es unter den Umständen einfach noch schwieriger als letzten Sommer.
Sabine: Also Fortsetzung folgt. Hast du dazu schon konkrete Ideen oder Pläne was als nächstes passieren kann?
Larissa: Also einerseits möchte ich auf jeden Fall weiter Personen porträtieren, einfach auch um das diverse Bild des Bauhaus heute zu zeigen und dem gerecht zu werden. MEHR LESEN
Dafür braucht es eine viel breitere Abbildung der Personen, die eben nicht cis-Männer sind und trotzdem die Geschichte des Bauhauses mittragen und heute zeitgenössisch das repräsentieren, was Bauhaus heißt. Andererseits darf dieses Projekt natürlich auch in anderen Räumen gezeigt werden. Das würde ich mir sehr wünschen. Als Projektion kann ich mir das durchaus auch an anderen Orten vorstellen, die ebenfalls mit dem Bauhaus in Zusammenhang stehen. Projektionen sind momentan aber schwierig umzusetzen und das weitere Fotografieren geht eben auch nur sehr eingeschränkt und leider habe ich eben schon alle fotografiert, die ich persönlich kenne und wo ich es verantworten könnte, in der aktuellen Situation Kontakt aufzunehmen.
Ich möchte das ganze gerne auch in Buchform veröffentlichen, um nochmal eine andere Plattform für dieses wichtige Thema zu erschließen und ein anderes Publikum zu erreichen. Aber auch, weil diese Art der Veröffentlichung, ähnlich wie die Schwarz-Weiß-Fotos, auf die Repräsentation historischer Bauhaus-Frauen anspielt. Gleichwohl es in meinem Projekt nicht nur um cis-Frauen geht, knüpft es natürlich an die Selbstdarstellung an, die ja vorhanden ist, wenn auch nur in Fragmenten. Und es greift auch darauf zurück, dass die wenigen Zeugnisse über das Wirken von historischen Bauhausfrauen eben vor allen in Buchform veröffentlicht sind, die eine der wenigen Informationsquellen dazu darstellen. Damit gäbe es auch einfach nochmal eine andere Präsentationsform, auch im Sinne von Geschichtsschreibung, da sind Bücher einfach ein wichtiges Medium. Das sind die Pläne bisher.
Gerade auch die Repräsentation der Geschichte im neuen Bauhausmuseum war für mich sehr enttäuschend und der Grund, warum ich dieser bisherigen Repräsentation, die hauptsächlich durch cis-männliche Personen und deren Arbeiten geprägt ist, auch etwas entgegenstellen und dem entgegenwirken will.
Stephanie: Kannst du vielleicht nochmal kurz davon erzählen, wie es zur Fassadenprojektion kam?
Larissa: Also ich habe die Fassade des Bauhausmuseums ausgewählt als den Ort, der stellvertretend ist für die Repräsentation. Das gehört auch zu den positiven Reaktionen, dass ich auf meine aufwändige Anfrage an das Bauhausmuseum mit der großen Besorgnis, eine Absage zu erhalten, tatsächlich eine Zusage bekommen habe. Diese Möglichkeit war durchaus nicht selbstverständlich. MEHR LESEN
Das Ganze war auch ein größerer technischer Aufwand und um es überhaupt finanziell zu bewältigen, habe ich zu einem Crowdfunding aufgerufen. Es gab es viel Solidarität und Unterstützung für das Projekt, sehr großartig. Mehr als 40 Menschen haben die Projektion und damit diese Präsentation relativ kurzfristig im öffentlichen Raum finanziert und möglich gemacht. Also innerhalb von weniger als einem Monat war der gesamte Geldbetrag zusammen.
Sabine: Vernetzt zu sein ist also wichtig in allen Bereichen. Wie sieht es denn mit feministischer Vernetzung im Kunstbereich in Thüringen aus? Gibt es das überhaupt und wenn ja, wie sieht die Vernetzung aus?
Larissa: Ich denke es gibt tatsächlich keine Vernetzung im Kunstbereich oder nur sehr wenig. Es ist eher so, dass sich Einzelprojekte an verschiedenen Stellen mal zusammenfinden, sei es zur Umsetzung einer Veranstaltung oder ähnlichem. MEHR LESEN
Aber tatsächliche Netzwerke entstehen nicht und daher war auch die Reaktion von vielen Personen, die jetzt am Projekt teilgenommen haben, wie großartig es ist, hier auch eine Community zu schaffen. Eine Vernetzung von Personen, die sonst vielleicht auch einfach nicht repräsentiert werden von anderen Projekten und Gruppen, um sich dort zusammenzufinden. Also nicht nur eine Plattform nach außen zu bieten, sondern auch eine Plattform nach Innen. Und da muss ich sagen, es kann natürlich sehr fruchtbar sein, wenn hier mehr Vernetzung stattfinden würde.
Ich finde aber das gleiche bezieht sich oft auch auf nicht-künstlerische Projekte, die sich mit Feminismus und Queerfeminismus beschäftigen. Da findet eben nur an ganz seltenen Punkten eine Zusammenarbeit statt, aber ein tatsächliches Netzwerk gibt es ja bisher nicht. Deshalb ist auch eure Arbeit umso wichtiger, um auch einen dauerhaften Austausch über einzelne thematische oder terminliche Vernetzungen hinaus zu schaffen. Es liegt auch immer noch daran, dass es verschiedene Interessengruppen in feministischen Kreisen gibt und dass es da ja auch leider immer noch Differenzen gibt. Gerade die Diskussion darum, ob wir für die Gleichberechtigung von Frauen kämpfen oder für die Gleichberechtigung aller Geschlechter, ist ein sehr schwieriger Punkt. An dieser Stelle möchte ich nochmal festhalten, dass ich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter eintrete.
Sabine: Du beschäftigst dich mit Geschlecht, Repräsentation und Geschlechterrollen. Würdest du dich in deinem künstlerischen Schaffen explizit als Feministin bezeichnen?
Larissa: Ich würde mich selbst auf jeden Fall als Feministin bezeichnen, meine Kunst im Gesamten ist für mich Gesellschaftskritik und damit ist meine Kunst auch feministisch, aber nicht nur. MEHR LESEN
Also das ist ein Aspekt, aber sie auf feministische Kunst zu reduzieren würde viele Themen, die ich auch aufgreife oder die dabei mitschwingen, wie zum Beispiel das allgemeine Thema der Geschichtsrepräsentation, unsichtbar machen. Also ich bin Feministin, meine Kunst ist auch feministisch, aber nicht nur.
Stefanie: Du hast ja auch schon gesagt, dass es dich grundsätzlich interessiert, wie Gesellschaft mit Geschichte umgeht. Deine Portrait-Reihe wird ja vielleicht auch in 100 Jahren ein zeitgeschichtliches Dokument sein. Kannst du dir das vorstellen?
Larissa: Mich interessiert gerade die Verbindung aus Kunst und Zeitgeschichte oder deren Dokumentation. Und es ist ja eben auch so, dass viele Kunstwerke im Museum nicht einfach als Kunst betrachtet werden, sondern zu einem zeitgeschichtlichen Dokument werden. MEHR LESEN
Die Fotoserie soll gerade das sein. So sehr sie jetzt gerade auch Intervention im öffentlichen Raum, gemeinschaftliches Projekt und Netzwerk ist, soll sie vor allem dem Umstand entgegenwirken, dass in 100 Jahren wieder jemand dastehen und sagen kann: „Ja, aber wir wissen ja nichts über diese Personen und wir haben ja keine Dokumente dieser Personen und können da jetzt ganz aufwändig recherchieren nach wenigen Überbleibseln ihres Wirkens“. Das kann spätestens durch diese Fotoserie über die Personen, die in Weimar und Umkreis im Zusammenhang mit dem Bauhaus stehen, niemand mehr sagen.
Ich sehe die Fotoserie eben auch nicht als Kunstwerk für den Privatkäufer, sondern hauptsächlich für den öffentlichen Raum, sei er real oder virtuell, aber im Zweifel eben auch im Rahmen eines Museums. Also es ist eine Arbeit, die in die Öffentlichkeit gehört und eventuell in 100 Jahren dann ein zeitgeschichtliches Dokument des Bauhauses von 2020/21 sein wird.
Sabine: Hast du Vorbilder oder Künstler*innen, die dich besonders inspiriert oder auf deinem Weg begleitet haben?
Larissa: Das ist eine gute Frage. Tatsächlich muss ich gestehen, dass auch meine gesamte Bildung im Kunstbereich von cis-männlichen Vertretern dominiert ist und deshalb selbst ich, die ich in einem feministischen Bereich tätig bin oder mit einem feministischen Blick Kunst mache, ganz grundsätzlich viel weniger genderqueere oder weibliche Personen im Kunstbereich kenne als cis-männliche. MEHR LESEN
Es gibt einige Personen, deren Richtung des Arbeitens mich inspiriert, aber ich glaube, dass ich generell keine Person bin, die Vorbilder hat.
Viel mehr inspirieren mich tatsächlich einfach Projekte im politischen Bereich, gerade auch weil der Kunstbereich sich an vielen Stellen überhaupt nicht als politisch versteht. Also sicherlich, einzelne Künstler*innen arbeiten politisch und das auch ganz eindeutig. Aber das was in #White Cubes in Galerien hängt, ist in den allermeisten Fällen nicht politisch und kann auch in einer abgeschlossenen Kunstblase überhaupt nicht politisch wirken. Deshalb möchte ich an der Stelle keine konkreten Personen benennen, sondern, dass mich Überschneidung von politischem Aktivismus und politischem Eingreifen und Kunst als Ausdruck von Gesellschaftskritik interessiert. Alle Personen, die auf meinem Weg bis hierher so eine Richtung verfolgt haben, haben durchaus dazu beigetragen, dass ich heute hier stehe, wo ich stehe.
So sehr sie jetzt gerade auch Intervention im öffentlichen Raum, gemeinschaftliches Projekt und Netzwerk ist, soll sie vor allem dem Umstand entgegenwirken, dass in 100 Jahren wieder jemand dastehen und sagen kann: „Ja, aber wir wissen ja nichts über diese Personen und wir haben ja keine Dokumente dieser Personen und können da jetzt ganz aufwändig recherchieren nach wenigen Überbleibseln ihres Wirkens“. Das kann spätestens durch diese Fotoserie über die Personen, die in Weimar und Umkreis im Zusammenhang mit dem Bauhaus stehen, niemand mehr sagen.
Stefanie: Würdest du sagen, dass es im Kunstbereich oder in Teilbereichen davon eine Entwicklung gibt, weg von dem Fokus auf cis-männlichen Personen und hin zu vielfältigeren Perspektiven?
Larissa: Ich habe mich tatsächlich auch im Rahmen meiner Diplomarbeit sehr ausführlich damit beschäftigt wer im Kunstbereich tätig ist in den verschiedenen Bereichen und wer im Geschichtsbereich tätig ist. MEHR LESEN
Also wer analysiert Geschichte heute? Wer trägt dazu bei was in Museen steht? In beiden Bereichen sind natürlich die initiativen Personen immer noch größtenteils cis-männlich. Dies basiert wiederum auf geschichtlichen Gegebenheiten: Weil Frauen durch die Rolle als Mutter und Hausfrau, die sie zugewiesen bekommen haben und weil genderqueere Personen durch das Unsichtbarmachen gar nicht auf den Status kommen konnten, dass sie jetzt geschichtswirklich sind. Dadurch sind eben die aktiven Personen größtenteils cis-Männer.
Aber sicherlich hat sich hier in den letzten 50, 60 Jahren was verbessert. Sowohl dadurch, dass Frauen in diesen Bereichen tätig werden können und auch leichteren Zugang zu Bildung haben und dadurch, dass insgesamt in der Gesellschaft viel mehr auf Queerfeminismus geschaut wird und auf die Gleichberechtigung aller Geschlechter. Das ist in der Umsetzung natürlich an sehr vielen Stellen noch nicht ideal, aber man sieht natürlich, dass jetzt auch auf Frauen im Kunstbereich explizit geschaut wird und es werden Frauen und genderqueere Personen im Kunstbereich gefördert. Oft bleibt es aber eben in dieser Seitensparte, es bleibt Randthema und es bleiben Sonderausstellungen. Der allgemeine (kunst-)geschichtliche Diskurs bleibt immer noch an denselben Personen hängen und erreicht damit auch nur die Personen, die sich sowieso schon zu solchen Personen oder Themen hingezogen fühlen. Das ist immer noch problematisch, obwohl sich die Repräsentation von Frauen und genderqueeren Personen insgesamt auf jeden Fall verbessert hat, zum Glück.
Sabine: Was glaubst du bräuchte es noch, um da weitere Verbesserungen zu erreichen, vielleicht auch an strukturellen Veränderungen?
Larissa: Es gibt ja viele grundlegend gute Ideen, auch in feministischen Kreisen und in der „ganz normalen Politik“. Natürlich müssen wir alle Bereiche des Lebens familienfreundlicher machen. MEHR LESEN
Allein deswegen, weil an Frauen noch oft die Rolle als Mutter dranhängt und die aber nicht mitgedacht wird. Ein Vollzeitjob ist aber so konzipiert, dass man zuhause eine Hausfrau hat, damit man den 40-Stunden-Job erledigen kann. Also da müssen wir Dinge viel flexibler gestalten und zugänglicher machen. Wir müssen auch einfach für das Thema sensibilisieren und uns fragen „Sitzt hier in meiner Besprechung gerade mindestens eine Frau oder am besten sogar verschiedene genderqueere Personen und ist ein ausgeglichenes Verhältnis aller Geschlechter vorhanden? Ist das in meiner Veranstaltung, die ich mache, vorhanden?“ Also jedes Mal, wenn ich Menschen einlade, sollte ich überlegen, ob das jetzt nicht eine Person of Color, eine Frau, eine genderqueere Person sein könnte. Das sind alles Kleinigkeiten und wir müssen dafür auch eine politische Grundlage schaffen. Das geht nicht nur durch das Handeln von kleinen Gruppen, Initiativen oder Einzelpersonen. Aber zumindest wird durch diese Gruppen, Einzelpersonen und Initiativen der Ruf danach laut und die Plattform dafür gegeben.
Aber ich glaube es setzt eigentlich noch viel früher an. Es setzt in dem Moment an, wo wir uns mit unserem Geschlecht, das eben grundsätzlich erst mal binär gedacht wird in weiblich und männlich, identifizieren. Welche Vorurteile und Erwartungen hängen in der Gesellschaft daran, die dich im Endeffekt zu dem Menschen machen, der du bist und auch zu der Person, die einen gewissen Umgang mit anderen Menschen verschiedenen Geschlechts hat.
Stefanie: Das hat mich an eine spannende Radiosendung erinnert, in der es darum ging, dass in der Kunstgeschichte der überwiegende Anteil der Studierenden weiblich ist, aber wenn man dann in die Leitung der Museen guckt, sind es fast nur cis-Männer.
Larissa: Das liegt eben daran, dass wir Frauen vor allem nachteilig betrachten, ihnen weniger zutrauen und generell Attribute zuschreiben, die eben gegen die Tätigkeit in einer Führungsposition sprechen. Vor allem besteht immer noch diese furchtbare Verknüpfung von „Du hast einen cis-weiblichen Körper, du bist grundsätzlich gebärfähig, deshalb wirst du irgendwann Kinder bekommen und deshalb können wir dich sowieso nicht einstellen, befördern oder dir wichtige Positionen geben, weil dann bist du plötzlich mehrere Monate oder Jahre weg“. Das ist einfach immer noch ein ganz grundlegendes Problem, abseits von all diesen anderen kleine Problemen, die sich darauf aufstapeln. MEHR LESEN
Das hängt ganz stark mit unserer Wahrnehmung von Geschlecht und mit unseren Vorurteilen und unseren Erwartungen zusammen. Diese stellt man eben nicht nur an andere, sondern auch an sich selbst und bestimmt damit ja auch das eigene Selbstbild und was man sich zutraut und was man anderen zutraut. Da wirkt wiederum rein, wie Geschlecht in der Welt um mich repräsentiert wird, wie ich das auffasse und wie ich daran mein Selbstbild festmache. Gerade auch in Weimar: es stehen nur Denkmäler für Männer da. Es gibt ein Denkmal für Käthe Kollwitz und ein nicht-figürliches Denkmal für Rosa Luxemburg und das war es dann auch schon. Je mehr wir da eine Repräsentation erreichen, desto mehr würde es dazu beitragen, dass sich unser Blick auf Geschlecht verändert und damit auch unsere Erwartungen. Aber es sind eben Aspekte, die gegenseitig aufeinander einwirken und sich verstärken. Deshalb muss man einfach an vielen kleinen Stellen ansetzen durch politische Initiativen, aber auch durch Parteien und Einzelpersonen.
Stefanie: Du hast auch ein Projekt gemacht, bei dem du verschiedene Personen von hinten in unterschiedlicher Kleidung fotografiert hast und da ist mir auch ganz stark aufgefallen, dass ich mich auch nicht den Assoziationen erwehren kann, die dabei entstehen.
Larissa: Wir können uns dem ja auch nicht entziehen. MEHR LESEN
Wir werden in dieser Gesellschaft sozialisiert, aber wir können das einfach immer wieder infrage stellen. Auch mit der Frage, ob das überhaupt wichtig ist, wo man die abgebildete Person jetzt einordnet oder ist es nicht eigentlich erst mal egal und es sind ganz andere Punkte, die dazu beitragen, wie ich über diese Person denke oder wie ich zu ihr stehe. Und dazu soll mein künstlerisches Schaffen beitragen und in die Gesellschaft hineinwirken und deshalb vielen Dank für die Gelegenheit, das hier vorzustellen.
Sabine: Vielen Dank für deine Zeit und die Impulse.
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