Anja und Caro sind zwei von mehreren Personen und damit auch Stimmen und Meinungen innerhalb der Vetofeminists. Mit ihnen sprachen wir im Interview über die Hintergründe ihrer Gruppe, das Zusammenarbeiten trotz inhaltlicher Differenzen, Veränderungserfordernisse in linken Räumen und Strukturen sowie ihre Wünsche an die feministische Landschaft in Thüringen.
Das Interview führten Stefanie und Stephanie am 08. Februar 2021.
Inhaltswarnung: In diesem Interview wird von sexualisierter Gewalt berichtet.
Die vetofeminists haben sich Ende 2017 gegründet. Trans- und cis-Frauen, die im veto organisiert sind, haben sich damals als Gruppe innerhalb des vetos zusammengetan, um spezifisch die Interessen von Trans und cis Frauen zusammenzubringen und eben auch nach außen zu treten und das in einem geschützten Rahmen. Das veto ist ein selbstverwalteter Raum für linke Kultur und Politik in Erfurt. Es wurde 2011 gegründet, um nach der Räumung des Besetzten Hauses wieder einen Ort für Subkultur und linke Politik zu schaffen. Das veto ist sehr vielfältig und bietet Raum für verschiedene Menschengruppen sowie kontroverse linke Meinungen und Positionen.
Stefanie: Hallo Anja, Hallo Caro. Wie habt ihr euch als vetofeminists zusammengefunden?
Anja: Es gab einen Auslöser zum Thema #sexualisierte Gewalt, wo wir uns zusammengesetzt und überlegt haben, wie wir solidarisch sein und Betroffene unterstützen können. Das war damals ein Novum für uns. Zum anderen ging es ganz konkret um das veto an sich. Da ist uns aufgefallen, dass die Arbeitsteilung unseres Erachtens doch sehr geschlechtsspezifisch zu Ungunsten von weiblich gelesenen Personen oder weiblichen Personen abläuft. Wir haben angefangen uns regelmäßig zu treffen und haben auch offen unsere Diskussionsstände oder Diskussionsbedarfe ins veto-Plenum hineingetragen, die Gruppe sollte schon ein Teil des vetos sein. Wir haben ein gemeinsames Interesse zu einem Problem oder einer Thematik und tragen das ins veto-Plenum rein und versuchen dann (im besten Fall) gemeinsam mit unseren männlichen Genossen da eine Lösung zu finden oder Sachen anzustoßen und anzuregen.
Stefanie: Habt ihr als Gruppe ein gemeinsames Verständnis von Feminismus?
Anja: Tatsächlich haben wir uns des Öfteren die Frage gestellt, inwiefern wir ein Selbstverständnis formulieren sollten. Wir haben mehrmals darüber diskutiert und das dann aber wieder fallengelassen, weil verschiedene feministische Ansätze vorhanden sind. MEHR LESEN
Die Einzelnen beziehen sich unterschiedlich auf theoretische Feminismen oder auch Bewegungsfeminismus. Da gibt es schon Unterschiede in einzelnen Details oder auch Analysen, wie man die Geschlechterverhältnisse hier in der kapitalistischen Gesellschaft versteht oder was deren Ursachen sind und was sich für politische Konsequenzen daraus ergeben. Es gibt Unterschiede, aber wir haben in dem Ziel doch ein gemeinsames Interesse im Sinne von: wir wollen solidarisch miteinander umgehen und offen füreinander sein. Eine Gemeinsamkeit war auch die Interessen von politisch organisierten #trans– und #cis-Frauen im veto zu vertreten und bei Problemen aktiv zu werden und auch eine Ansprechstruktur zu sein.
Caro: Die Erfahrung nicht-männlich in linken Räumen zu sein ist eine Gemeinsame, beispielsweise wie weiblich gelesene oder nicht-männliche Personen angesprochen und wahrgenommen werden, für welche Themen sie adressiert werden oder zur Verfügung stehen bzw. welche Themen auch unbehandelt bleiben. Auch die erschreckende Erkenntnis, dass es herabwürdigende Erfahrungen gibt, bis hin zu #sexueller Gewalt, die jede Einzelne von uns in den Räumen, die wir mitgestalten, erlebt haben.
Anja: Das empfand ich auch nochmal als eine spannende Erfahrung. Neben dem Thema wie #Reproduktionsarbeiten verteilt sind im veto und auch – wie Caro gerade schon angesprochen hatte – emotionale Arbeit, die ich zu #Care-Arbeit dazuzählen würde, ist darüber hinaus tatsächlich auch ein riesengroßer Erfahrungsraum entstanden für die Frage was es noch für Widrigkeiten gibt, denen man ausgesetzt ist; mit denen wir alle nicht nur in dieser Gesellschaft tagtäglich struggeln, sondern auch in unseren eigenen politischen Kontexten. Da haben wir festgestellt, dass es die Notwendigkeit gibt zu intervenieren, uns zusammenzuschließen und dem was entgegenzubringen. Wichtig war uns dabei, dass nicht wieder so im Klein-Klein mit sich selbst oder nur ein, zwei anderen Genoss:innen auszuhandeln. Wir wollen gemeinsam auf den Plan treten und auch nach außen sichtbar machen, dass es hier eine Ansprechstruktur für Menschen gibt, die vielleicht nicht im veto organisiert sind, aber denen Scheiße passiert ist, auch in unseren Räumen.
Stefanie: Was habt ihr für Maßnahmen oder Ideen für das veto erarbeitet? Wie könnt ihr diesen Prozess beschreiben? Und was hat sich am veto durch eure Arbeit verändert?
Caro: Die erste Veränderung war überhaupt die Idee alle im veto aktiven #trans– und #cis-Frauen zusammenzubringen und in Austausch zu kommen, um dann das Besprochene ins Plenum zu tragen, also sich als gemeinsame Stimme zu artikulieren und damit eine höhere Sichtbarkeit zu schaffen. MEHR LESEN
Was es im veto bereits gab, waren #Awareness-Teams bei größeren Veranstaltungen. Dazugekommen ist eine Auseinandersetzung mit dem, was #Awareness leisten muss und wie eine Ansprechbarkeit über Aushänge sichtbar gemacht werden kann. Als vetofeminists wollen wir ansprechbar sein, auch über den Veranstaltungsabend hinaus, denn manchmal dauert es, bis Erfahrungen für Betroffene einordbar sind.
Anknüpfend an Anja, haben wir sichtbar gemacht, wie die Aufgaben im veto verteilt sind. Für Putzen, Einkauf, Moderation und Protokoll des Plenums wurde ein Rotationsprinzip eingeführt. Das bedeutet, dass jede Gruppe mal putzt, es nicht an Befindlichkeiten hängt oder pauschal an bestimmten Nutzungskonzepten. Es gibt jetzt eine höhere Verbindlichkeit in den alltäglich anstehenden Aufgaben. Durch das Verteilen der Aufgaben entsteht eine höhere Sichtbarkeit. Jahrelang hat sich das Klopapier ganz von alleine aufgefüllt und nun bedarf es Absprachen, neues zu kaufen.
Anja: Was es auch gab in dem Zusammenhang, war eine feministische Veranstaltungsreihe, die wir organisiert haben. Die Reihe lief dann im Jahr 2018 mit verschiedenen Veranstaltungen. Da haben wir (zuvor) zusammengetragen was es für Interessen und Themen von Menschen der vetofeminists gibt, aber auch aus dem veto-Plenum. Anhand dieser Themen haben wir dann die Veranstaltungsreihe gemeinsam organisiert. Das ist ganz konkret daraus erwachsen und generell auch eine Sichtbarkeit von Themen, die erstmal vermeintlich nur weibliche Menschen oder #Inter* und trans*Personen betreffen.
Eine Auseinandersetzung mit Sexismus innerhalb des gesamten vetos ist auch aufgrund von beschissenen Vorfällen und vermehrten Auseinandersetzungen, die innerhalb des vetos stattgefunden haben, entstanden. Vor diesem Hintergrund haben wir uns mit verschiedenen Konzepten wie zum Beispiel #Definitionsmacht beschäftigt oder mit Fragen, was ist überhaupt sexualisierte oder #sexuelle Gewalt, was bedeutet psychische Gewalt oder emotionale Gewalt oder wie kann ein Präventionskonzept aussehen?
Das sind Themen, die behandelt wurden und werden. Es war nie unser Anliegen, dass das dann nur bei vetofeminists liegt. Das wäre ja auch irgendwie eine komische Vorstellung, dass das nur Feminist:innen zu tun hätten, sondern dass wir das als gemeinsame Aufgabe von Genossinnen und Genossen sehen. Das ist auch eine langfristige, aus verschiedenen Umständen resultierende Entwicklung, die aber entscheidend mit der Gründung von vetofeminists zusammenhängt.
Caro: Auf jeden Fall ist bei mir persönlich viel passiert. Durch den Austausch hat die bereits begonnene theoretische Auseinandersetzung mit Feminismus und #Patriarchat nochmal eine ganz andere Dimension gewonnen: „Ach, nicht nur ich alleine hab diese Erfahrungen in den eigenen Räumen gemacht, sondern das passiert irgendwie allen. Wie scheiße ist das denn? Auch das Patriarchat hat System bei uns in den Räumen, wo wir permanent dagegen ankämpfen“. Irgendwie ist das empowernd und traurig zugleich. Wir müssen auch den männlichen Genossen verständlich machen, wie omnipräsent Übergriffigkeit und Herabwürdigung als Nicht-Mann auch in linken Räumen sind. Unseren Frust darüber haben wir ins Plenum getragen und das hat erstmal den Normalbetrieb und die Kommunikation gestört.
Aber mit der Feststellung, dass wir auch gemeinsam was reißen und auch die Erfahrung zu machen, dass wir das gemeinsam hinkriegen oder es kleine Entwicklungsschritte gibt und wir es schaffen uns zu organisieren, hat gezeigt, dass es sinnvoll ist. Wie will man sonst politisch was erreichen?
Stephanie: Das klingt ja als hätte sich auch der Umgang mit euch als Gruppe durch die anderen Nutzer:innen des vetos verändert. Wie ist es dann weitergegangen und wie habt ihr die Reaktion auf eure Arbeit erlebt und wie hat sich diese verändert?
Caro: Ich weiß nicht, ob das immer eins zu eins auf unsere Arbeit zurückzuführen ist, weil es war ja zeitlich einzuordnen in eine Vielzahl an veröffentlichten #Outcall-Statements von Frauen, die von #sexueller Gewalt in linken Räumen betroffen sind. Es gab auch Fälle sexueller Gewalt im veto. Wir haben das untereinander besprochen, selbst Statements oder Solidaritätsbekundungen geschrieben, diese ins veto-Plenum mitgenommen und Solidarisierung eingefordert. MEHR LESEN
Es ist anstrengend, sich damit auseinanderzusetzen – für uns alle. Zeitlich und emotional. Man kommt nicht so schnell durchs Plenum, wenn man Solidaritätserklärungen schreibt oder Vorfälle auf den Tisch bringt, die eigene Verstricktheit aufarbeitet.
Anja: Dem schließe ich mich an und möchte noch hinzufügen, dass mein Eindruck am Anfang war, dass es eine Irritation gab. Das veto ist ein selbstverwalteter Raum, in dem sich verschiedene Gruppen und Einzelpersonen zusammengefunden haben, mit dem Ziel diesen Raum zu gestalten und zu bespielen.
Man organisiert sich gemeinsam, wenn ein gemeinsames Interesse da ist oder es Probleme gibt und wie man was dagegen tun kann. Das haben wir als #trans– und #cisFrauen innerhalb des vetos eben auch gemacht. Das war noch mal der Punkt, der erst mal Irritation ausgelöst hat. Aber mit der Feststellung, dass wir auch gemeinsam was reißen und auch die Erfahrung zu machen, dass wir das gemeinsam hinkriegen oder es kleine Entwicklungsschritte gibt und wir es schaffen uns zu organisieren, hat gezeigt, dass es sinnvoll ist. Wie will man sonst politisch was erreichen? Wir sind auch wahrgenommen und angesprochen worden, von Gästen oder Leuten um das veto herum oder assoziierten Menschen, die nur mal so zu Veranstaltungen kommen, wenn es irgendwie Fragen gab oder Unterstützung gesucht wurde. Ich habe auf jeden Fall auch positive Resonanz erlebt. Wir sind da, werden wahrgenommen und es wird auf uns zugegangen – das finde ich gut.
Stephanie: Was macht ihr als Gruppe, um euch zusammenzuhalten, was bestärkt euch oder macht euch Spaß, damit man so einen Gruppenprozess miteinander auch aushalten kann?
Caro: Das ist eine schwierige Frage, weil uns das zusammenbringt, wo Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Wir verbrachten viele Abende mit Kippe und Bier, an denen wir gleichzeitig gelacht, geweint und uns ausgekotzt haben. Das Gefühl des Empowerments kommt aus diesem Prozess. Und wenn ich unzufrieden aus einem Treffen ging, habe ich mir dann woanders meinen Wohlfühlraum gesucht, um wieder bei vetofeminists reinpowern zu können. MEHR LESEN
Da wir unterschiedlich sind, hatten wir auch oft sehr herausfordernde Diskussionen. Bei manchen Treffen sind wir nicht auf einen Nenner gekommen und konnten nicht das Versprechen vom empathischen Miteinander einhalten. Das tut manchmal sehr weh, wenn man sich auch bei denen, in die man Hoffnungen setzt, verstanden zu werden, unverstanden fühlt und wo sich kein Gefühl der Solidarisierung einstellt, sondern des Getrenntseins. Diese Momente gab es leider nicht selten. Aber wir haben bisher trotzdem weitergemacht. Leider haben wir über die Zeit Genossinnen verloren. Es bleibt ein Versuch-Irrtum-Prozess, der auch oft schmerzhaft ausgeht.
Stephanie: Wie geht ihr mit inhaltlichem Dissens um?
Anja: Wir hatten zu ganz verschiedenen Thematiken Differenzen. Erstmal haben wir versucht das sichtbar und ansprechbar zu machen. MEHR LESEN
Das war uns auch von vornherein immer wichtig, dass die Treffen so sein sollen, dass wir auch sagen können, wenn wir mit etwas Bauchschmerzen haben oder inhaltlich an einem anderen Punkt sind oder es irgendwo einen #Dissens gibt. Dies zu kommunizieren und artikulierbar zu machen, war tatsächlich nicht immer einfach. Teilweise liegt es tatsächlich an den unterschiedlichen Wissensgrundlagen oder Verständnissen von Feminismus, auf die man sich bezieht. Da hält es sich bei uns die Waage zwischen einem #materialistischen Verständnis von Geschlechterverhältnissen oder eher einem #queer-feministischen. Was nicht heißt, dass man gegeneinander ist. Auf keinen Fall. Man hat gemeinsame Bezugspunkte und politische Ziele, die man gemeinsam anstrebt und sagt: „Okay, das sind unsere gemeinsamen Kämpfe und da kommen wir irgendwie zusammen“.
Manchmal haben wir auch festgestellt, dass Konflikte nicht lösbar sind und Verluste von Genoss:innen aus der Gruppe, die tatsächlich unterschiedliche Gründe hatten, versucht zu verstehen. Gleichzeitig haben wir aber auch gesagt: „Lasst uns weiterarbeiten“. Es ist schwierig, weil es tatsächlich kompliziert ist – ich kann es gar nicht so genau beantworten im Moment.
Caro: Wir haben zum Beispiel, um inhaltlichen Differenzen zu bearbeiten, Vorträge organisiert, um danach in Diskussionen eine andere Perspektive entwickeln zu können oder um Positionen besser zu verstehen. Aber eigentlich haben wir die Diskussionen nie so bis ins Letzte geführt, sondern eher festgestellt, dass wir sie haben. Diese inhaltlichen Unterschiede sollten für die Auseinandersetzung gar nicht so das Ausschlaggebende sein. Sondern es geht um die #Parteilichkeit für Betroffene, das an der Seite von Betroffenen stehen und darum notwendige Veränderungsprozesse in den Strukturen anzustoßen. Aber manchmal geht es auch darum, knallhart #Hausverbote auszusprechen, auch wenn man jahrelang mit der Person, die sich jetzt als Täter offenbart, zusammengearbeitet hat.
Anja: In dem Punkt gab es tatsächlich oft Einigkeit in Bezug darauf, wie wir vorgehen. Wir haben Strategien entwickelt, um gemeinsam im veto-Plenum überhaupt zu thematisieren, dass es Täter gibt und dabei waren wir auch klar parteiisch für Betroffene. Wir haben uns da übelst eine Platte gemacht, wie wir das vortragen und wie wir deutlich machen können, was für Forderungen dahinterstehen. In der Frage wie wir politisch und strategisch vorgehen wollen, waren wir meist schon übereinstimmend.
Stephanie: Gibt es Strukturen oder Wissen, an deren Erfahrungen ihr anknüpft in eurer Arbeit oder ist es eher so learning by doing, also sich von Fall zu Fall zu überlegen, was ist unsere Theorie, die wir haben, wie setzen wir es in der Praxis um oder habt ihr konkrete andere Gruppen oder Konzepte als Vorbild?
Caro: Ich denke, dass wir alles zusammenschmeißen, was wir mitbringen an Theorie- und Praxiserfahrungen. Die Herausforderung ist, zu reflektieren, dass das verschiedene Mischungen aus Erfahrungen und Theorien sind – was man im Moment dann vielleicht gar nicht wissen kann und es ist wichtig, sich untereinander abzuholen. Das gelingt manchmal nicht und es bleibt ein Unverständnis füreinander, um später festzustellen, dass es an unterschiedlichen (Wissens-)Sozialisationen liegt. MEHR LESEN
Mir fällt jetzt nicht die eine Theorie ein, auf die wir uns beziehen. Wir haben alle unterschiedliche Zugänge und gemeinsam bringen wir das Wissen zusammen.
Anja: Auch Feminist:innen vor uns sind zum Beispiel in der zweiten Frauenbewegung schon auf die Straße gegangen und haben Problematiken angeprangert, auch in Liebesbeziehungen oder in Polit-Zusammenhängen. Ich muss immer an den #SDS denken und die Tomatenwurf-Rede von #Helke Sander. Also es gab einfach schon viele Feminist:innen vor uns, die nicht dezidiert als Orientierungspunkt dienen, aber die schon ganz viel feministische Arbeit gemacht haben. Wir haben auch mal geschaut, was es denn in der Vergangenheit zum Beispiel in Thüringen schon für Probleme in linken Räumen gab oder in Polit-Zusammenhängen und haben uns darüber ausgetauscht. Ansonsten ist es ganz viel learning by doing und wir sind auch nicht vor Fehlern gefeit. Wir haben versucht diese herauszukristallisieren, daran zu arbeiten und zu schauen, wie es besser funktionieren kann und versuchen da trotzdem weiter dran zu wachsen und Dinge besser zu machen.
Stephanie: Was ist denn die größte Herausforderung für euch als vetofeminists?
Caro: Ich versuche es mal anhand von einer Party, wie ich sie mir wünschen würde. Auf Parties möchten alle feiern und ein bisschen die Kontrolle verlieren und gleichzeitig darauf vertrauen können, es gibt einen Respekt voreinander und miteinander, niemand glotzt, niemand tatscht und es stehen nicht nur Typen auf der Bühne, sondern auch Frauen und auch Typen hinter der Bar. Auf so eine Party hab ich Lust. Bis dahin ist es aber noch weit. MEHR LESEN
Wir alle sind im #Patriarchat aufgewachsen, es gibt fest verankerte Verständnisse davon, wie man sich auf einer Party oder auch darüber hinaus flirtmäßig annähert und das ist schon ein Feld, wo es anfängt: Wann ist etwas übergriffig, wann ist es aber total okay? Wann will ich was und wie artikuliere ich meine Grenzen? Ich finde die Herausforderung im Umgang mit dem Geschlechterverhältnis liegt in den Feinheiten. Wenn man sich schon länger kennt, miteinander vertraut ist und dann passiert etwas, was eine Person als grenzüberschreitend artikuliert, wird das als deren Sache behandelt und bagatellisiert. Dass dem Glauben geschenkt wird, was Menschen als Grenzen artikulieren, ist eine große Herausforderung.
Anja: Ja, dem kann ich mich anschließen. Mein Wunsch wäre tatsächlich, dass es gar nicht mehr die Notwendigkeit von vetofeminists gibt, weil es einfach so eine Selbstverständlichkeit von feministischer Theorie und vor allem Praxis gibt, auf die schon von Caro genannten Punkte hin. Also, wie geht man miteinander um, was tut man bei Vorfällen #sexualisierter Gewalt? Dass es da einfach ein Verständnis bei allen Personen – unabhängig ihres Geschlechts – gibt und dass sich alle in der Lage sehen zu handeln und zu agieren. Ich glaube davon sind wir weit entfernt, sowohl in linken Räumen und erst recht auch in der Gesellschaft und es bleibt uns nichts anders übrig als weiterzumachen und dranzubleiben.
Eine Herausforderung ist außerdem die Kraft zu haben, sich damit immer wieder zu befassen. Es gibt in Thüringen #Outcalls sexueller oder sexualisierter Gewalt und so scheiße wie das Erlebte der Betroffenen ist, sehe ich es erstmal als gutes Zeichen, dass Betroffene sprechen, sich Support holen und einfordern und auch an die Öffentlichkeit gehen. Auch was ihr macht mit eurem Projekt als ein Anstoß zur Vernetzung, das werte ich positiv, auch wenn wir alle in unseren eigenen Gruppen und Strukturen vor kleineren und größeren Herausforderungen stehen.
Ich versuche es mal anhand von einer Party, wie ich sie mir wünschen würde. Auf Parties möchten alle feiern und ein bisschen die Kontrolle verlieren und gleichzeitig darauf vertrauen zu können, es gibt einen Respekt voreinander und miteinander, niemand glotzt, niemand tatscht und es stehen nicht nur Typen auf der Bühne, sondern auch Frauen und auch Typen hinter der Bar. Auf so eine Party hab ich Lust.
Stefanie: Wünscht ihr euch, dass sich durch eure Arbeit auch andere ermutigt fühlen Gruppen zu gründen, in denen sich Frauen, Inter und Trans*Personen zusammenfinden und vor Ort aktiv werden?
Anja: Erfahrungen austauschen, Bündnisse schmieden, das finde ich sehr gut und begrüßenswert. Ich merke aber auch den Wunsch, dass man inhaltliche Differenzen auch mal diskutiert. Ich würde mich freuen über eine Lust am feministischen Streiten, wie #Koschka Linkerhand es ausgedrückt hat. Und trotz unterschiedlicher theoretischer Bezüge zu schauen, wo wir gemeinsame Ziele haben und wo können wir gemeinsam kämpfen. MEHR LESEN
Ich finde es immer schwierig inhaltliche Differenzen glattzubügeln und zu sagen: „Okay, das gibt es jetzt halt nicht“ oder das einfach nicht zu thematisieren. Ich denke schon, dass es eine Rolle spielt. Ich habe Lust offen in den Austausch darüber zu gehen, wo es inhaltliche Differenzen gibt und an welchen Punkten man auf einer Handlungsebene aber zusammenkommt.
Caro: Mir ist es gerade ein Bedürfnis gemeinsam wütend zu sein, für eine selbstbestimmte Position zu kämpfen und Geschlechterrollenzuschreibungen über Bord zu werfen. Dafür braucht es Austausch untereinander und Solidarität als #trans– und #cis-Frauen füreinander. Ich fand den #Outcall aus Jena, der nicht angebunden war an eine linke Struktur und auch so detailliert die #sexuelle Gewalt beschrieb, total erschreckend. Ich habe die Hoffnung oder besser den Wunsch, dass die Vernetzungsstrukturen, die es jetzt aus einer Notwendigkeit heraus gibt, dazu führen, dass der Austausch schon viel früher passiert und Typen nicht in die nächste Stadt ziehen können, weitermachen, sich so der Auseinandersetzung entziehen und das über Jahre hinweg. Ich wünsche mir, dass die Unterstützungsstrukturen von Täter*innen nicht mehr funktionieren, sondern bröckeln und bröckeln müssen, weil sie sich – das klingt jetzt hart – in die Enge getrieben fühlen. Aber im Moment haben die leider Oberwasser. Ich hoffe daran kann man rütteln.
Anja: Daran schließe ich mich an. Was ich im Zuge dessen erschreckend fand: Man kennt über die Jahre, die man politisch aktiv ist, so viele Leute in politischen Zusammenhängen, aber wenige feministische Genoss:innen, die in gemischtgeschlechtlichen Gruppen aktiv sind. Jüngere Genoss:innen kenne ich (bisher) kaum und fand auch nochmal gravierend, wie wenig wir momentan als Feminist:innen untereinander vernetzt sind. Das hat mich ganz schön schockiert. Ich sehe aber auch zarte Pflänzchen entstehen, die hoffentlich ganz große Pflanzen werden und das finde ich sehr gut. Also auch da einen Austausch zu schaffen, finde ich wichtig.
Stephanie: Wir wollen gerne noch wissen, was ihr für Wünsche an die feministische Landschaft in Thüringen, in Bezug auf Vernetzung, aber vielleicht auch in Bezug auf andere Punkte habt.
Caro: Ich hätte gerne das „Lasso der Wahrheit“, also die Fähigkeit bei mir und bei anderen die eigenen patriarchalen Verkrustungen zu erkennen und über Selbsterkenntnis ändern zu können. Ich glaube, das fängt schon im täglichen Miteinander an und findet sein Extrem dann in #sexueller Gewalt. Ich wünsche mir, dass auch in Typenklüngeln schon der vermeintlich harmloseste Witz über Frauen als Problem erkannt wird und sich ändert, wie man miteinander über die Genossinnen spricht. Ich wünsche mir auch von mir, dass ich den Typen und die Freundin gleichermaßen hype. Ich wünsche mir den Raum, in dem man erkennt und dann die Bereitschaft entwickelt, sich ändern zu wollen, weil man politisch am gleichen Ziel arbeitet.
Anja: Ich wünsche mir auch, dass wir diese Strukturen schaffen können, dass es ein offenes aufeinander Zugehen gibt und man auch keine Scheu haben muss, um Unterstützung zu fragen. Dass man gemeinsam überlegt, wie man strategisch vorgehen kann und wie man sich gegenseitig unterstützen kann. Und wenn es erstmal das ist, was Caro vorhin so schön gesagt hat: Eine gemeinsame Wut auch zuzulassen und nach außen zu artikulieren, weil das ja auch ganz oft männlich konnotiert ist und ich denke: „Nee, wir Frauen können auch fucking noch mal wütend sein!“ Und, dass wir auf verschiedenen Ebenen zusammen agieren können und ansprechbar füreinander sind und niemand alleingelassen wird.
Caro: Ich wünsche mir ein Umfeld, das Betroffene ermutigt das Schweigen zu brechen und dann auch mit der Wahrheit zurechtkommt. Im Moment bedeutet das Schweigen zu brechen nicht unbedingt, dass es besser wird. Das Erfahrene wird in der Szeneöffentlichkeit diskutiert und nicht immer in einer solidarischen Art und Weise. Bei Täter:innen und Unterstützer:innen gibt es meist Abwehr. Es ist ein Bewusstsein nötig dafür, dass es nicht darum geht, ob es böse gemeint war oder übergriffig, sondern dass es trotzdem ein fail war. Was wichtig ist, ist der Umgang: Es gibt Arschlöcher, die wollen sich nicht ändern, aber es gibt andere, die sich ändern wollen und die sollten es aber auch tun und nicht nur versprechen.
Anja: Ehrlich untereinander zu sein ist auch wichtig. Wenn bestimmte Dinge erstmal öffentlich werden, dann wird erstmal nicht alles gut. Es ist ein anstrengender, harter Prozess auf unterschiedlichen Ebenen und es wird Menschen geben, die Zweifel haben. Über diese Probleme sollte in einen offenen Austausch gegangen werden, um dann zu überlegen, wie man damit umgehen kann und wie man das auffangen kann, auch innerhalb der Szene, sodass es eben nicht ein konfrontatives Gegeneinander gibt. So können wir auch eine Art von Wissenstransfer ermöglichen, ohne dass ich jetzt will, dass wir uns hinstellen als Feminist:innen und den Genossen die Welt erklären, das ist gar nicht der Punkt, sondern wirklich auch einen Raum zu geben für eine Auseinandersetzung und auch um Verständnis herzustellen. Das sind ganz viele kleine Schritte, die auch innerhalb einer linken Szene gemacht werden müssen, die sich für sensibilisiert gegenüber allem möglichen hält, aber das tatsächlich ja nicht ist. Sie ist ja auch von Gesellschaft durchdrungen logischerweise. Da sind viele Schritte zu tun, aber wir können die gemeinsam angehen.
Stefanie: Vielen Dank für das Interview und die wichtigen Impulse.
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