Interview mit Uta und Madlen von der Brennessel e.V. in Erfurt
Im Interview sprachen wir mit Uta und Madlen über 30 Jahre Brennessel, die unzähligen Aufgaben in einem Frauenzentrum und warum es eine Villa Kunterbunt braucht.
Das Interview führten Stefanie und Stephanie am 10.12.2020.
Das Frauenzentrum Brennessel – Zentrum gegen Gewalt an Frauen nahm seine Anfänge Mitte der 80er Jahre bei den Frauen für Veränderung. Im Januar 1990 wurde dann der Verein „Autonome Brennessel“ in einer Erfurter Küche gegründet. Seit dem ist viel passiert: Von der Wendezeit, Personalstellen, Vereins- und Vorstandsarbeit, sisters of comedy bis hin zur Beratung und Begleitung von Frauen. Doch egal ob damals oder heute, die Brennessel war immer ein Ort von Frauen für Frauen.
Stephanie: Wie ist denn die Brennessel entstanden?
Uta: Ich bin keine Mitbrennnesselgründerin, aber es gibt noch eine Frau im Vorstand, die Mechthild Ziegenhagen, die hat die Brennessel vor 30 Jahren, also 1990, mitbegründet. Wir hatten 2020 zwei Termine für die große Feier angesetzt, aber das hat ja aus bekannten Gründen leider nicht geklappt. Wir hoffen natürlich, das im Jahr 2021 nachholen zu können, bis dahin haben wir erstmal eine wunderschöne Broschüre gemacht. Zurück zur Brennesselgründung: also das war 1990 in Mechthilds Küche, da haben sich sieben oder acht Frauen, die sich in und um Erfurt bei den „Frauen für Veränderungen“ engagierten, getroffen und den Verein gegründet. MEHR LESEN
1990 war das Gang und Gäbe. Nach der Wende musste sich vieles neu zusammensetzen, aber nicht neu erfinden. In der DDR gab es Frauengruppen, die sich zu unterschiedlichen Themen getroffen haben. Die 1990er Jahre waren aber auch eine Zeit des Aufbruchs, sodass ganz viele Projekte entstanden sind. Zum Bespiel haben sich Frauen im Rahmen der Reformierung in der DDR mit dem Schulsystem auseinandergesetzt. Die Akteurinnen haben dann auch letztlich die Regenbogenschule in Erfurt gegründet. Mittlerweile haben die es sogar geschafft, dass die Schule bis zur 10. Klasse geht. Dann gab es noch die Frauen für den Frieden, Frauen und Medien; da sind heute noch welche bei Radio F.R.E.I. aktiv. Dann gab es das Frauencafé Soljanka, auch da wurde sich mit dem Thema Gewalt in Partnerschaften auseinandergesetzt. In der Zeit ermöglichte die Stadt Erfurt die Einrichtung eines kommunalen Frauenzentrums.
Aber einigen Frauen aus den Reihen der „Frauen für Veränderung“, die sich speziell mit dem Thema #häusliche Gewalt, damals hieß das Gewalt in Partnerschaften, beschäftigt hatten, ging der politische Ansatz, also den gesellschaftlichen Kontext in die Arbeit mit einzubeziehen, des kommunalen Zentrums nicht weit genug und so hat sich damals im Januar 1990 in Mechthilds Küche die Brennessel gegründet.
Stephanie: Und wie sahen so die ersten Jahre der Brennessel aus?
Uta: Zuerst hieß es: Räumlichkeiten finden. Die Brennessel-Frauen haben dann damals die ehemalige FDJ-Kreisleitung in der Thomas-Müntzer-Straße besetzt. Das war damals so üblich, stand ja vieles leer nach der Wende. Drei Monate später kam von der Kommunalen Wohnungsgesellschaft der Mietvertrag. MEHR LESEN
Von Anfang an lag der Fokus der Brennessel auf der Beratung, also die Gewaltberatung. Als erstes hat die Brennessel die Beratung angeboten, auch eine eigene Zeitung rausgebracht, mit Themen wie: Wie Frauen an Fördergelder kommen, wie sie Projekte gründen können und so weiter. „Die Monatliche“ hieß die Zeitung und sollte solche Informationen thüringenweit streuen. Aber wie gesagt, der Fokus der Brennessel war schon immer die Beratung.
Nach und nach gründeten sich unter anderem die Landesarbeitsgemeinschaft Frauenzentren sowie der Landesfrauenrat. Die #LAG Frauenzentren erarbeitete gemeinsam mit der #Gleichstellungsbeauftragten vom Land Thüringen sowie dem Landesfrauenrat dann die ersten Förderrichtlinien, früher Leistungsbeschreibung, für Frauenzentren . Dadurch wurde 1995 erstmals die Daseinsberechtigung von Frauenzentren rechtlich untermauert, sodass auch eine Finanzierung zustande kommen konnte. Mit den Förderrichtlinien kam natürlich auch das Fachkräftegebot; auf die nun so geförderten Stellen kamen dann nur Leute mit Sozialpädagogikabschluss in Frage. Das ist insofern bitter, weil dadurch auch einige, die mit ihrem vollen Engagement dabei waren, diesem Fachkräftegebot nicht genügt haben. Die ersten Personalstellen gab es allerdings dann erst ab 1999.
Stefanie: Welche Funktionen habt ihr als Mitarbeiter*innen in der Brennessel und wie gestaltet sich bei euch die Aufgabenteilung?
Uta: Es ist ja an sich ziemlich vielseitig. Unsere Arbeit gliedert sich in 4 Säulen, die Beratung und Begleitung von Frauen ist die größte Säule. Auch haben wir Frauenbildungsangebote sowie gendergerechte Angebote einmal als Bewältigungsstrategie, Sportkurse, Malkurse für Frauen mit traumatischen Erlebnissen oder samstags einmal im Monat Wandern, weil das Wochenende für alle doch noch mal eine besondere Herausforderung ist. Dann gibt es die frauenpolitischen Veranstaltungen, wo wir uns mit Themen auseinandersetzen. MEHR LESEN
Ansonsten ist es aber so, dass wir Veranstaltungen so niedrigschwellig wie möglich machen wollen, möglichst kostenfrei. Die Sportkurse beispielsweise laufen alle über die Krankenkassen, damit eben für jede Frau der Zugang möglich ist. Dann haben wir ja immer noch unsere politische Arbeit und unsere Arbeit in den ganzen Gremien, Netzwerkarbeit, Kampagnen und eben Aktionen; unsere letzte im Jahr 2020 war zum Beispiel die Kerzenaktion zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November auf dem Fischmarkt in Erfurt. Das sind so Hauptschwerpunkte, die wir so alle machen, die wir unter uns aufteilen, damit jede die Möglichkeit hat in verschiedenen Arbeitsgruppen mitzuwirken.
Ansonsten hab ich eher den Schwerpunkt Beratung für Frauen mit Traumaerfahrung, Trennung, auch das Thema #Umgangsrecht, psychische Krisen oder andere herausfordernde Lebenssituationen. Sprachkurse haben wir auch, da geht es darum, dass Frauen die Chance haben die Sprache zu lernen, um sich hier zu Recht zu finden, da geht es vor allem um Alltagsdeutsch sozusagen. Ja, das alles haben wir dann eben gut unter uns aufgeteilt.
Madlen: Mein Schwerpunkt ist die Programmgestaltung: welche Veranstaltungen planen wir, wen laden wir ein, was setzen wir wie zusammen um sowie das eben zu organisieren und vor- und nachzubereiten. Ansonsten mache ich auch viel Beratung zu #häuslicher Gewalt, zu sexualisierter Gewalt aber auch zu anderen Themen.
Uta: Dann sind wir natürlich auch Hausmeisterinnen! Ich stand heute schon auf der Leiter und habe Lampen gewechselt. Ja, so ist das halt in kleinen Projekten; da gibt es ja auch immer das Rundumprogramm, da musste eben auch mal das Klo putzen. Ansonsten sind wir praktisch drei Angestellte auf zwei Personalstellen. Eine Frau mit einer geförderten Stelle übers Arbeitsamt, und ab 2021 bekommen wir noch eine weitere geförderte Stelle. Dann gibt es noch einen Pool an Ehrenamtlichen, die punktuell kommen und die Vielseitigkeit des Zentrums mit gestalten
Madlen: …ja, die auch teils die Sprachkurse oder die Sportkurse machen und…
Uta: …auch das Programm gestalten, das Layout machen…
Madlen: … gerade so ein paar junge Frauen, die sich neu engagieren und natürlich auch so ihre Themen mit- und einbringen können und so das Programm gestalten. Frauen können sagen, was sie interessiert und was sie gerne machen wollen würden. Dann setzen wir uns zusammen und besprechen das mit den Ehrenamtlichen.
Wir haben in der Brennessel die Freiheit zu sagen: „Ach komm, wir beschäftigen uns jetzt mit dem Thema Geschichte des Feminismus und zwar das ganze Jahr über.“ Das sind so spannende Prozesse und es macht Spaß zu entscheiden, wen wir mit ins Boot holen und zu überlegen, wie wir das alles finanzieren können. Das ganze würde ich als Pionier-, also sozusagen als Urarbeit bezeichnen, die die Brennessel von Beginn an hatte und die wir uns bis heute beibehalten konnten.
Stefanie: Könnt ihr einschätzen, wie viele Ehrenamtliche in der Brennessel aktiv sind?
Uta: Einmal im Jahr machen wir einen schönen Jahresabschluss für Alle, und da sind wir dann ungefähr 26 Menschen. Das sind dann so die, die sich wirklich immer regelmäßig einbringen, also die sozusagen nicht nur auf der Liste stehen.
Stephanie: Ihr seid auch ein Verein. Wie gestaltet denn das Vereinsleben eure Arbeit mit?
Uta: Es gibt einen Vorstand und einmal im Jahr trifft sich eine Vollversammlung. Außerdem gibt es Ehrenamtstreffen, wo jede kommen kann, die will. Diese Treffen geben auch neuen Frauen die Chance, die erstmal gucken wollen, ob und wie sie sich einbringen möchten, eben ganz ohne Verpflichtungen oder Zwang. Denn manchmal ist doch für einige ungewiss, was alles so mit dranhängt ein Frauenzentrum zu organisieren, ist ja auch viel Kleinarbeit. Das Ehrenamtstreffen ist sozusagen ein offener Raum, wo sich jede einfach mal über die Brennessel und uns informieren kann, um so auch ein bisschen zu schauen, ob denn die Chemie stimmt.
Stephanie: Wie würdet ihr denn die Brennessel für euch beschreiben?
Uta: Also ich liebe an sich schon die Vielseitigkeit hier in der Brennessel. Es gibt eben nicht nur die Beratung im Gewaltbereich, sondern ein vielseitiges Angebot, wie ich es vorhin schon erwähnt hatte. In der Brennessel ist es für mich schon immer ein Vorteil gewesen, dass Frauen, die eine Idee haben oder sich mit einem bestimmten Thema genauer auseinandersetzen wollen, dass sie das hier einfach machen können. Wir haben in der Brennessel die Freiheit zu sagen: „Ach komm, wir beschäftigen uns jetzt mit dem Thema Geschichte des #Feminismus und zwar das ganze Jahr über.“ Das sind so spannende Prozesse und es macht Spaß zu entscheiden, wen wir mit ins Boot holen und zu überlegen, wie wir das alles finanzieren können. MEHR LESEN
Das ganze würde ich als Pionier-, also sozusagen als Urarbeit bezeichnen, die die Brennessel von Beginn an hatte und die wir uns bis heute beibehalten konnten. Diese Art und Weise unserer Arbeit verrichten zu können, verdanken wir auch ein Stück weit der Radikalität der Frauen von der Brennessel aus den 1990er Jahren. Ich war zwar damals nicht dabei, aber die haben halt nie den Mund gehalten, die haben gesagt: „Nee, so machen wir das nicht!“, die waren total mutig und ich glaube, das hat eben vielen Frauen auch geholfen. Das ist eben noch ein Stück weit drin hier in der Brennessel, auch wenn es nicht mehr ganz so radikal zu sein braucht. Was vielleicht auch etwas daran liegt, dass sich der Feminismusbegriff gewandelt hat. Es war am Anfang schon so, dass Feminismus mit Männerhass verbunden wurde. Ich würde sagen, dass ist heute nicht mehr so. Wir sagen zwar, wir sind ein Schutzraum für Frauen, ohne Männer; das bedeutet aber nicht, dass wir gegen Männer sind. Wir sehen natürlich, dass auch für sie sicherlich noch viel Arbeit gemacht werden muss, aber es ist eben nicht die Arbeit der Brennessel.
Was ich auch ganz spannend finde, ist die Arbeit mit Erwachsenen. Wir haben ja das Glück, dass die Frauen freiwillig zu uns kommen. Da ist niemand im Hintergrund, der ihnen aufzwingt ein Beratungsgespräch bei der Brennessel zu machen, zumal wir ja nicht direkt mit dem Jugendamt arbeiten. Sie kommen von sich aus. Und das ist cool, für die Frauen wie für uns.
Das gibt allen Beteiligten ein Stück Freiheit, sogar mehr Freiheiten, wenn man nicht in diesem Kontext ist, wo man etwas erfüllen muss oder die Person einen Auftrag hat, beispielsweise wieder arbeitsfit zu werden. Wir können sagen: „Nö, sie kann selber entscheiden, ob sie arbeiten will oder nicht.“ Und das gibt den Frauen auch automatisch mehr Freiheiten und es eröffnet so Vieles, vor allem den Freiraum sich mit sich selber zu beschäftigen, sozusagen „ werde dir erst mal klar darüber, was du willst “, „wenn du die Probleme nicht hättest, wie würde dann dein Leben aussehen?“, „was wäre der nächste Schritt?“, das macht einfach Spaß die Menschen zu begleiten, ihren eigenen Weg zu finden. Okay, vor allem ist es auch gut, dass wir keinen Ergebnisdruck haben.
Es ist auch für die Frauen ein Geschenk, die sonst immer das Gefühl haben gegen Windmühlen zu kämpfen, weil sie sich nicht gehört fühlen oder sie zu Paarberatungen gezwungen werden, in dieser sie dann aber das Gefühl haben, dass nur der Mann gehört wird oder er die Sympathiepunkte bekommt. Für die ist dieser freie Raum, den wir mit der Brennessel versuchen zu ermöglichen, dann auch total kraftspendend. Und das ist auch das was so Spaß macht: dieses Glänzen in den Augen, oder wenn dann so ein Licht aufgeht und die Kraft zu sehen ist.
Stephanie: Du sprachst vorhin davon, dass die 1990er Jahre eine Zeit des Aufbruchs waren. Wie war die Zeit nach der Wende genau?
Uta: Nach der Wende konnte jede Initiative, Gruppe ihr eigenes Haus, ihr eigenes Projekt machen und das war wunderbar aber dann wiederum schade, weil wir vorher eher gemeinsam gekämpft, diskutiert und gestritten haben. Wir wussten viel mehr voneinander und waren eine Einheit von Andersdenkenden. Aber die Freiheit und die gesellschaftliche Mitgestaltungsmöglichkeit haben unwahrscheinlich viel Kraft gegeben und Kreativität hervor gebracht. MEHR LESEN
Vorher gab’s die Solidarität und das gemeinsame Ringen und dann gab es den Kampf auf die Fördertöpfe. Wenn wir heute neue Zielgruppen aufnehmen oder neue Zielgruppen bedenken, geht dieser Kampf immer wieder von neuem los. Es gibt immer die Gefahr der Spaltung und Endsolidarisierung.
Stephanie: Also war die Zeit nach der Wende von Licht und Schatten geprägt: Es gab Aufbruch und Vervielfältigung, aber es brauchte auch diese Teilung und Institutionalisierung, die du beschrieben hast. Wie bewertest du das?
Uta: An sich ist es schon positiv. Ich denke, dass es kein guter Zustand gewesen sein muss, alle halbe Jahre zu befürchten, dass die Arbeit im Frauenzentrum wegen fehlender Mittel nicht weitergehen kann. Bei uns sind ja noch Gründungsmütter aktiv, das ist in vielen Einrichtungen nicht mehr so. Viele mussten ihr Leben neu gestalten, um ihre Existenz zu sichern, da dies mit der Arbeit in Frauenzentren nicht möglich war. Du musst ja von irgendwas leben. Und davon ist natürlich etwas von dem Gemeinsamen verloren gegangen. MEHR LESEN
Aber an sich haben wir es geschafft, dass überhaupt die Akzeptanz für Frauenzentren da ist, dass die Arbeit wichtig ist und das Thema Gewalt an Frauen überhaupt von der Politik wahrgenommen und auch parteiübergreifend unterstützt wurde. Das war schon ein Kampf. Ich meine, wir kämpfen immer noch den jahrelangen Kampf weiter, aber die Akzeptanz für das Thema oder die Notwendigkeit das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen oder dafür zu sensibilisieren, ist da. Und wir haben viel erreicht, es gab den Aktionsplan gegen #häusliche Gewalt, auch die professionell übergreifende Arbeitsgruppe im Land. Es gibt das #Gewaltschutzgesetz, Stalking wurde als Straftatbestand aufgenommen, bestimmte Paragrafen verändert bei sexuellen Übergriffen #Nein heißt Nein und die Istanbulkonvention. Also es ist ja viel dann doch passiert.
Es ist auch für die Frauen ein Geschenk, die sonst immer das Gefühl haben gegen Windmühlen zu kämpfen, weil sie sich nicht gehört fühlen oder sie zu Paarberatungen gezwungen werden, in dieser sie dann aber das Gefühl haben, dass nur der Mann gehört wird oder er die Sympathiepunkte bekommt. Für die ist dieser freie Raum, den wir mit der Brennessel versuchen zu ermöglichen, dann auch total kraftspendend. Und das ist auch das was so Spaß macht: dieses Glänzen in den Augen, oder wenn dann so ein Licht aufgeht und die Kraft zu sehen.
Stephanie: Du hast ja beschrieben, dass die Brennesselfrauen zur Gründung einen gesellschaftsspezifischen Blick hatten. Prägt das eure Arbeit auch heute noch?
Uta: Das ist immer noch genauso. Dieser gesellschaftliche Kontext, das ist ja auch ein Ziel sozusagen: Die Bedingungen zu verändern, die eben die Gewalt ermöglichen. Und da waren die ersten Schritte dass es im Gesetz nicht mehr Familienstreit heißt, sondern #häusliche Gewalt, dass es ein #Gewaltschutzgesetz gibt und, dass es überhaupt ein Straftatbestand ist. Das war ja ein ewiger Kampf, dass auch Stalking unter Straftatbestand gestellt wurde. Das sind so große Meilensteine gewesen, aber das ist ja immer noch nicht zu Ende. MEHR LESEN
Und das ist immer noch Hauptschwerpunkt dies im Blick zu haben, dass die Frauen Opfer werden, da es die Gesellschaft ja auch zulässt. Ich sage auch immer, es würde sonst Selbstbehauptung ab der ersten Schulklasse als Hauptschulfach geben. Also nehmen sie es billigend in Kauf, dass Mädchen/Frauen und Jungen Opfer werden können. Ich glaube, da ist noch viel zu tun, gerade im ganzen Bildungsbereich. Selbstbehauptung ist das eine, Kommunikation, Konfliktlösung, verschiedene Lebens- und Beziehungskonzepte. Da gibt es noch so viele weitere Themen für die sich die Schule öffnen müsste.
Stefanie: Wir haben jetzt allgemein über die Geschichte der Brennessel gesprochen, was sind denn so eure persönlichen Meilensteine, Höhepunkte oder besonderen Ereignisse in der Brennessel an die ihr euch gerne erinnert?
Madlen: Da gibt es bei Uta bestimmt deutlich mehr als bei mir, da ich ja erst seit Juni 2020 hier bin, aber ich kannte die Brennessel natürlich schon vorher aus Netzwerken oder aus gemeinsamen Projekten. Zum Beispiel haben wir einen Film gezeigt, über die Entstehung der autonomen Frauenhäuser und hatten dafür auch Kolleginnen aus Bielefeld für eine Gesprächsrunde eingeladen, abends wurde dies dann noch zu einer Tanzveranstaltung. Das war eins unserer ersten größeren Projekte zusammen und das war schon eine schöne, tolle Aktion. MEHR LESEN
Ansonsten kenne ich die Brennessel von verschiedenen Arbeitskreisen, immer vom Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen jährlich am 25. November mit der Kerzenaktion auf dem Fischmarkt in Erfurt, was jedes Jahr wieder eine tolle Aktion ist. Außerdem habe ich die Brennessel immer als die kennengelernt, die immer mit dabei sind und immer mit an der Front sind, ob es jetzt der Frauenkampftag am 8. März oder #One Billion Rising ist. Die Brennessel ist immer präsent, das ist ein toller Wiedererkennungswert.
Uta: Ja – One Billion Rising. Ich weiß gar nicht, wann wir das das erste Mal gemacht haben. Das ist ja vor acht Jahren das erste Mal in Deutschland gemacht worden. Das fand ich sehr bewegend, da waren ja so viele Leute draußen. Das ist auch immer noch eine Aktion, die ich total liebe. Besser kann man es nicht sagen und nicht rüberbringen.
Voriges Jahr hatten wir ja mal ein ganz neues Format mit unseren sisters of comedy, um auf Frauen in der Medienbranche aufmerksam zu machen, da die ja sehr unterpräsent sind und gleichzeitig auf häusliche Gewalt. Das war eine ganz tolle Veranstaltung im Gewerkschaftshaus. Wollten wir dieses Jahr eigentlich wieder machen, ging ja aber nicht.
Madlen: Das war auch eine spannende Kombination. Das waren ja alles Kabarettistinnen oder Comedian, die ohne Gage aufgetreten sind, deren Erlöse sind alle an Frauenprojekte gegangen. Und eben diese Kombination aus wir lachen alle zusammen, haben einen schönen Abend zusammen, haben aber dieses wichtige Thema, was dezent, aber trotzdem präsent war. Das war auch so eine neue Kombination, die das doch so schwere Thema noch mal anders beleuchtet und auch positiv ins Licht rückt. So ähnlich ist es ja auch bei One Billion Rising, das diese wichtigen Themen mit etwas Positivem verbindet und ich glaube das ist schon eine gute Kombination, die viele Menschen erreicht.
Uta: Auch die Aktion mit den Schaufensterpuppen oder Mut schöpfen, das sind so große Aktionen auf dem Anger, das ist einfach immer toll, weil man da wirklich viele Leute erreicht. Bei dieser Mut-Schöpfen Aktion wurden Schüsseln symbolisch gefüllt, an einem Samstag, die Stadt war total voll gewesen, einige haben dann auch noch Schüsseln gebracht, also das war irgendwie total bewegend. Und solche Aktionen liebe ich ja so, diese Draußen-Aktionen.
Es ist auch schon immer schön zu sehen, wenn Netzwerke greifen und sich viele finden, die das mit finanzieren und mit tragen. Das sind halt solche Sachen, da ist Solidarität und Verbundenheit spürbar. So, wie man sich das sonst im Alltag auch wünschen würde, weil es doch oft fehlt. Wenn wir Frauen und soziale Projekte solidarischer miteinander wären, wären wir schon viel weiter mit der Gleichstellung und sozialen Gerechtigkeit.
Dann die Frauen von Radio FREI, dass sie da mehr Gehör und Mitgestaltungsrechte erkämpft und den Frauenpreis bekommen haben. Also es sind schon ganz viele Sachen, aber auch kleine Momente. Zum Beispiel, wenn eine Frau nach drei Jahren kommt und sagt: „ich wollte schon die ganze Zeit vorbeikommen, ich habe es geschafft. Ich habe einen neuen Beruf, lebe mit meinen Kindern in Frieden und alleine. Solche Momente haben wir ja nicht immer, dass wir den Rücklauf haben. Frauen kommen ja zu uns, wenn es brennt und danach wissen wir gar nicht, was genau aus ihnen geworden ist, geht es ihnen gut und haben sie ihren Weg gefunden.
Stefanie: Ist eure Arbeitsweise an bestimmte feministische Vorbilder oder ein Grundverständnis angelehnt? Oder habt ihr vielleicht persönlich feministische Vorbilder?
Madlen: Ich habe jetzt keine Feministin im Kopf, wo ich sage, das ist mein Vorbild. Aber was ich hier auch immer wieder merke und was mich begeistert in der Arbeit, ist, dass es hier so viele junge Frauen gibt, die teilweise noch zur Schule gehen, studieren oder eine Ausbildung machen, die ein sehr erfrischendes Verständnis von #Feminismus haben, sich sehr engagieren, teils auch selber sehr negative Erfahrungen gemacht haben. Ihr ganzes Wissen und ihre ganzen Erfahrungen tragen sie hier in der Brennessel zusammen und tragen es auch weiter. Es ist spannend da eine neue Generation von Femnist*innen zu erleben; da nehme ich für mich auch sehr viel mit. MEHR LESEN
Uta: Spezielle Vorbilder habe ich jetzt auch nicht. Ich meine, es sind ja irgendwie alle Frauen, ob die Suffragetten Bewegung, Clara Zetkin oder Rosa Luxemburg, das sind ja so viele, die viel Arbeit und vieles auf den Weg gebracht haben, in der Vergangenheit wie Gegenwart.
Oder früher die Sekretärin, die die Bücher in die Schreibmaschine getippt haben. Oder Frauen, die Arbeit, Kinder, Ehrenamt und all dies unter einen Hut bekommen. Es sind so viele, die sich im Kleinen wie Großen einbringen. Oder die Frauen, die sich das in den politischen Gremien antun oder in einer Partei, da habe ich richtig Hochachtung davor. Da hätte ich nicht die Geduld. Und es sind natürlich auch irgendwo meine Oma oder auch meine Mutter. Ich kann es gar nicht so genau fest machen.
Da gibt es einfach so viele, die leider vielleicht auch nie genannt werden, die beispielsweise im ländlichen Raum leben. Ich finde, das sind alles Heldinnen und Vorbilder.
Stephanie: Was sind aktuelle oder dringende Herausforderungen, die aus eurer Sicht sofort geändert werden müssten, wo Kämpfe nötig wären?
Uta: Es ist ja überall dieser #Backlash, also Rückwärtstrend. Ich glaube, das macht auch den anderen Frauenzentren in Thüringen sehr viele Bedenken. Dadurch, dass sie jetzt in das Landesprogramm Solidarisches Zusammenleben der Generationen1 Das Landesprogramm Solidarisches Zusammenleben der Generationen ist ein neues Programm der Familienförderung durch das Land Thüringen. Das Land stellt den Kommunen finanzielle Mittel für die familienpolitischen Angebote vor Ort zur Verfügung. Die Kommunen entscheiden jeweils selbst welche Einrichtung und welches Angebot in welcher Höhe gefördert werden. Das Ziel soll es sein, dass die Kommunen an Hand der Bedarfe vor Ort die Förderung von Einrichtungen und Angeboten gestalten. Das Programm existiert seit Anfang 2019. Auch die Frauenzentren fallen unter die Förderung durch das Landesprogramm. Ihre Förderung hatte Bestandsschutz bis Ende 2020. Danach entscheiden die Kommunen, ob eine Förderung weitergeführt wird. Die Frauenzentren haben bereits im Entstehungsprozess des Landesprogramms angemahnt, dass der Bestand der Frauenzentren in manchen Kommunen dadurch gefährdet sein könnte, dass die Sinnhaftigkeit geschlechtsspezifischer Angebote nicht von allen kommunalen Entscheidungsträgern geteilt wird, sie so aus der Förderung herausfallen können und die frauenspezifischen Angebote dadurch noch weniger werden könnten. eingebunden sind und damit sozusagen in der Förderung nur noch den Kommunen ausgesetzt sind, die sehr verschieden zu ihren Frauenzentren stehen, ist sehr viel Angst da, dass die Frauenzentren ihre geschlechtsspezifischen Angebote überhaupt erhalten können und das nicht zum allgemeinen Familien-Kladderadatsch wird. MEHR LESEN
Das macht mir ein bisschen Angst und Bedenken, weil der Bestandsschutz ausläuft. Wie die Kommunen und Landkreise sich dann entscheiden, ist unklar. Und da ist es natürlich nicht förderlich, dass viele Zentren gerade ja gar nicht viel anbieten können. Dadurch, dass die Brennessel den Schwerpunkt auf Beratung setzt, haben wir keine Existenzangst aber es gibt die Zentren, wo der Fokus mehr noch auf den frauenspezifischen Kursangeboten und Bildungsangeboten liegt.
Für die ist es glaube ich, schon wirklich einfach ein schlechtes Jahr, da die Einnahmen für den Eigenanteil zur Finanzierung wegbrechen. Die Pandemie verschärft die Ausgrenzungen. Und da müssen wir jetzt schauen wie das wird, auch eben mit Blick auf die politische Entwicklung und ich denke, da müssen wir auf alle Fälle aufpassen. Auch, dass nicht die ganzen queeren Angebote ausgespielt werden gegenüber den frauenspezifischen Angeboten und dem geschlechtsspezifischen Anspruch. Das ist glaube ich eine sehr große Herausforderung an uns und an die Politik.
Madlen: Als du Backlash erwähnt hattest, da habe ich tatsächlich an was anderes noch gedacht, nämlich an das Antifeministische. Das gibt es durch die rechten Bewegungen immer mehr und wir müssen dadurch wieder neu anfangen, warum zum Beispiel gendern eine wichtige Sache ist. Das macht mir auch Sorge, dass das durch die Corona Situation noch mal verschärft wird. Das ist so ein Bereich, der immer mehr zu nimmt und das ist schon beängstigend.
Stefanie: Gibt es irgendwas, was ihr euch speziell für die Arbeit in der Brennessel wünscht?
Uta: Also ich nehme eine Villa, wo wir einfach viele Projekte mit rein nehmen, so eine Art Haus der Vielfalt oder wie man es auch immer nennen möchte. Wo dann eben ein queeres Zentrum, auch Prostitutionsschutz angeboten und, oder eine Fachstelle Sexuelle Gewalt eingerichtet wird. Ein gemeinsamer Ort, wo eben viel passieren kann. Wo unten vielleicht optisch alles offen ist, es größere Räume, Beratungsräume mit verschiedenen Zugängen gibt und natürlich auch eine Sauna im Keller, weil auch oft solch eine Auszeit ein Rückzug sein kann. Also andere Räume brauchen wir so oder so und da stellt sich auch die Frage, ob es man es gleich größer denkt, nach Leuten schaut, mit denen man das realisieren kann. MEHR LESEN
Madlen: Ich habe auch gleich an so eine Villa Kunterbunt gedacht. Ansonsten würde ich mir manchmal wünschen nicht Hausmeisterin oder Verwaltungsfachkraft zu sein, Büroorganisation und Beratung zu machen, sondern bei den Arbeitspunkten zu sein, ja die wir in unserem Beruf auch haben. Also bei den Frauen, bei den Beratungen und der politischen Arbeit zu sein. Ist halt manchmal viel ringsum und wenn man das abstellen könnte, wäre das schon sehr schön.
Uta: Oder mehr verteilen. Okay, das Verwaltungszeug könnte ich schon locker abgeben, aber, was ich meine: die ganze Arbeit, die könnte sozusagen auf mehreren Schultern verteilt sein. Mit einer Verwaltungspauschale wäre dem ja schon sehr geholfen. Es ist einfach zu wenig Personal, für die vielen Aufgaben. Deswegen können einige Aufgaben auch gar nicht richtig umgesetzt werden, obwohl man es möchte, das ist wirklich schade. Man geht da leider oft über die eigenen Grenzen und das ist ja nicht Sinn und Zweck der Sache, wenn wir sagen, wir wollen gute Bedingungen für Frauen und für uns als Mitarbeitende selbst gelingt dies nicht.
Stephanie: Zum Abschluss: Welche Wege müssten wir zusammen als feministische Landschaft in Thüringen gehen, damit wir gemeinsam kampfstärker werden?
Uta: Ich glaube dieses Sichtbarmachen und Aufspüren ist schon mal eine echt coole Idee. Die Frauenhäuser und -zentren kennt man ja relativ, aber vielleicht gibt es je viele Initiativen, so was vor Ort, was eine enorme Rolle spielt, uns aber unbekannt ist. Das wäre ja schon spannend zu wissen, was es da gibt. Und ich halte einen Austausch zwischen den Generationen sehr wichtig, denn ich finde, es geschieht gerade ein Generationenwechsel. Da sollten wir aufmerksam sein und genau planen, wie der Wechsel vollzogen werden kann und dass wir dabei so viele wie möglich mitnehmen und erreichen. MEHR LESEN
Madlen: Ja, ich denke auch dieses Sichtbarmachen ist der erst Schritt und dann kann man ja auch gucken, was denn für Gemeinsamkeiten existieren, die die verschiedenen Einrichtungen verbinden. Und vielleicht kann auch so eine gemeinsame Idee erkannt werden, was wir von und in Thüringen wollen. Da ist der Vernetzungsgedanke schon ein ganz spannender.
Uta: Das ist ja auch eine Chance sich zu solidarisieren. Sich in kleinen Orten auch mit zu engagieren, beispielsweise gemeinsam an Kommunalpolitiker*innen schreiben oder Bürgermeister*innen. Wenn da eine Initiative schreibt, hat das doch noch mal mehr Gewicht. Wir haben da immer von der Landesarbeitsgemeinschaft aus was geschrieben und so politischen Druck gemacht. Ich denke schon, dass das was bringt, also gelebte Solidarität und Mitbestimmung.
Zum Beispiel, bei dieser 100% Mensch-Bewegung, da sagte einer „Wenn es den Lesben schlecht geht, müssen auch wir Schwulen was machen und wenn es den Schwulen schlecht geht, müssen auch die Lesben was machen.“ Und genau so trifft es für alle Menschen zu, unabhängig vom Geschlecht, der Sexualität oder körperlichen beziehungsweise psychischen Beeinträchtigungen.
Stefanie: Vielen Dank für die interessanten Einblicke und Eure Zeit!
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