Interview Frauenzentrum Brennessel
Interview Frauenzentrum Brennessel

Interview mit Uta und Madlen von der Brennessel e.V. in Erfurt

Im Interview sprachen wir mit Uta und Madlen über 30 Jahre Brennessel, die unzähligen Aufgaben in einem Frauenzentrum und warum es eine Villa Kunterbunt braucht.

Das Interview führten Stefanie und Stephanie am 10.12.2020.

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Im Interview sprachen wir mit Uta und Madlen über 30 Jahre Brennessel, die unzähligen Aufgaben in einem Frauenzentrum und warum es eine Villa Kunterbunt braucht.
Das Frauenzentrum Brennessel – Zentrum gegen Gewalt an Frauen nahm seine Anfänge Mitte der 80er Jahre bei den Frauen für Veränderung. Im Januar 1990 wurde dann der Verein „Autonome Brennessel“ in einer Erfurter Küche gegründet. Seit dem ist viel passiert: Von der Wendezeit, Personalstellen, Vereins- und Vorstandsarbeit, sisters of comedy bis hin zur Beratung und Begleitung von Frauen. Doch egal ob damals oder heute, die Brennessel war immer ein Ort von Frauen für Frauen.

DAS FRAUENZENTRUM BRENNESSEL

Das Frauenzentrum Brennessel – Zentrum gegen Gewalt an Frauen nahm seine Anfänge Mitte der 80er Jahre bei den Frauen für Veränderung. Im Januar 1990 wurde dann der Verein „Autonome Brennessel“ in einer Erfurter Küche gegründet. Seit dem ist viel passiert: Von der Wendezeit, Personalstellen, Vereins- und Vorstandsarbeit, sisters of comedy bis hin zur Beratung und Begleitung von Frauen. Doch egal ob damals oder heute, die Brennessel war immer ein Ort von Frauen für Frauen.

Adresse: Brennessel e.V. , Regierungsstraße 28 99084 Erfurt

Telefon: 0361 /5656510 E-Mail: brennessel.erfurt@t-online.de

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DAS FRAUENZENTRUM BRENNESSEL INTERVIEW

Stephanie: Wie ist denn die Brennessel entstanden?

Uta: Ich bin keine Mitbrennnesselgründerin, aber es gibt noch eine Frau im Vorstand, die Mechthild Ziegenhagen, die hat die Brennessel vor 30 Jahren, also 1990, mitbegründet. Wir hatten 2020 zwei Termine für die große Feier angesetzt, aber das hat ja aus bekannten Gründen leider nicht geklappt. Wir hoffen natürlich, das im Jahr 2021 nachholen zu können, bis dahin haben wir erstmal eine wunderschöne Broschüre gemacht.  Zurück zur Brennesselgründung: also das war 1990 in Mechthilds Küche, da haben sich sieben oder acht Frauen, die sich in und um Erfurt bei den „Frauen für Veränderungen“ engagierten, getroffen und den Verein gegründet. MEHR LESEN

Stephanie: Und wie sahen so die ersten Jahre der Brennessel aus?

Uta: Zuerst hieß es: Räumlichkeiten finden. Die Brennessel-Frauen haben dann damals die ehemalige FDJ-Kreisleitung in der Thomas-Müntzer-Straße besetzt. Das war damals so üblich, stand ja vieles leer nach der Wende. Drei Monate später kam von der Kommunalen Wohnungsgesellschaft der Mietvertrag. MEHR LESEN

Stefanie: Welche Funktionen habt ihr als Mitarbeiter*innen in der Brennessel und wie gestaltet sich bei euch die Aufgabenteilung?

Uta: Es ist ja an sich ziemlich vielseitig. Unsere Arbeit gliedert sich in 4 Säulen, die Beratung und Begleitung von Frauen ist die größte Säule. Auch haben wir Frauenbildungsangebote sowie gendergerechte Angebote einmal als Bewältigungsstrategie, Sportkurse, Malkurse für Frauen mit traumatischen Erlebnissen oder samstags einmal im Monat Wandern, weil das Wochenende für alle doch noch mal eine besondere Herausforderung ist. Dann gibt es die frauenpolitischen Veranstaltungen, wo wir uns mit Themen auseinandersetzen. MEHR LESEN

Wir haben in der Brennessel die Freiheit zu sagen: „Ach komm, wir beschäftigen uns jetzt mit dem Thema Geschichte des Feminismus und zwar das ganze Jahr über.“ Das sind so spannende Prozesse und es macht Spaß zu entscheiden, wen wir mit ins Boot holen und zu überlegen, wie wir das alles finanzieren können. Das ganze würde ich als Pionier-, also sozusagen als Urarbeit bezeichnen, die die Brennessel von Beginn an hatte und die wir uns bis heute beibehalten konnten.

Stefanie: Könnt ihr einschätzen, wie viele Ehrenamtliche in der Brennessel aktiv sind?

Uta:  Einmal im Jahr machen wir einen schönen Jahresabschluss für Alle, und da sind wir dann ungefähr 26 Menschen. Das sind dann so  die, die sich wirklich immer regelmäßig einbringen, also die sozusagen nicht nur auf der Liste stehen.

Stephanie: Ihr seid auch ein Verein. Wie gestaltet denn das Vereinsleben eure Arbeit mit?

Uta: Es gibt einen Vorstand und einmal im Jahr trifft sich eine Vollversammlung. Außerdem gibt es Ehrenamtstreffen, wo jede kommen kann, die will. Diese Treffen geben auch neuen Frauen die Chance, die erstmal gucken wollen, ob und wie sie sich einbringen möchten, eben ganz ohne Verpflichtungen oder Zwang. Denn manchmal ist doch für einige ungewiss, was alles so mit dranhängt ein Frauenzentrum zu organisieren, ist ja auch viel Kleinarbeit. Das Ehrenamtstreffen ist sozusagen ein offener Raum, wo sich jede einfach mal über die Brennessel und uns informieren kann, um so auch ein bisschen zu schauen, ob denn die Chemie stimmt.

Stephanie: Wie würdet ihr denn die Brennessel für euch beschreiben?

Uta: Also ich liebe an sich schon die Vielseitigkeit hier in der Brennessel. Es gibt eben nicht nur die Beratung im Gewaltbereich, sondern ein vielseitiges Angebot, wie ich es vorhin schon erwähnt hatte. In der Brennessel ist es für mich schon immer ein Vorteil gewesen, dass Frauen, die eine Idee haben oder sich mit einem bestimmten Thema genauer auseinandersetzen wollen, dass sie das hier einfach machen können. Wir haben in der Brennessel die Freiheit zu sagen: „Ach komm, wir beschäftigen uns jetzt mit dem Thema Geschichte des #Feminismus und zwar das ganze Jahr über.“ Das sind so spannende Prozesse und es macht Spaß zu entscheiden, wen wir mit ins Boot holen und zu überlegen, wie wir das alles finanzieren können. MEHR LESEN

Stephanie: Du sprachst vorhin davon, dass die 1990er Jahre eine Zeit des Aufbruchs waren. Wie war die Zeit nach der Wende genau? 

Uta: Nach der Wende konnte jede Initiative, Gruppe ihr eigenes Haus, ihr eigenes Projekt machen und  das war wunderbar aber dann wiederum schade, weil wir vorher eher gemeinsam gekämpft, diskutiert und gestritten haben. Wir wussten viel mehr voneinander und waren eine Einheit von Andersdenkenden. Aber die Freiheit und die gesellschaftliche Mitgestaltungsmöglichkeit haben unwahrscheinlich viel Kraft gegeben und Kreativität hervor gebracht. MEHR LESEN

Stephanie: Also war die Zeit nach der Wende von Licht und Schatten geprägt: Es gab Aufbruch und Vervielfältigung, aber es brauchte auch diese Teilung und Institutionalisierung, die du beschrieben hast. Wie bewertest du das? 

Uta: An sich ist es schon positiv. Ich denke, dass es kein guter Zustand gewesen sein muss, alle halbe Jahre zu befürchten, dass die Arbeit im Frauenzentrum wegen fehlender Mittel nicht weitergehen kann. Bei uns sind ja noch Gründungsmütter aktiv, das ist in vielen Einrichtungen nicht mehr so. Viele mussten ihr Leben neu gestalten, um ihre Existenz zu sichern, da dies mit der Arbeit in Frauenzentren nicht möglich war. Du musst ja von irgendwas leben.  Und davon ist natürlich etwas von dem Gemeinsamen verloren gegangen. MEHR LESEN

Es ist auch für die Frauen ein Geschenk, die sonst immer das Gefühl haben gegen Windmühlen zu kämpfen, weil sie sich nicht gehört fühlen oder sie zu Paarberatungen gezwungen werden, in dieser sie dann aber das Gefühl haben, dass nur der Mann gehört wird oder er die Sympathiepunkte bekommt. Für die ist dieser freie Raum, den wir mit der Brennessel versuchen zu ermöglichen, dann auch total kraftspendend. Und das ist auch das was so Spaß macht: dieses Glänzen in den Augen, oder wenn dann so ein Licht aufgeht und die Kraft zu sehen.

Stephanie: Du hast ja beschrieben, dass die Brennesselfrauen zur Gründung einen gesellschaftsspezifischen Blick hatten. Prägt das eure Arbeit auch heute noch? 

Uta: Das ist immer noch genauso. Dieser gesellschaftliche Kontext, das ist ja auch ein Ziel sozusagen: Die Bedingungen zu verändern, die eben die Gewalt ermöglichen. Und da waren die ersten Schritte dass es im Gesetz nicht mehr Familienstreit heißt, sondern #häusliche Gewalt, dass es ein #Gewaltschutzgesetz gibt und, dass es überhaupt ein Straftatbestand ist. Das war ja ein ewiger Kampf, dass auch Stalking unter Straftatbestand gestellt wurde. Das sind so große Meilensteine gewesen, aber das ist ja immer noch nicht zu Ende.  MEHR LESEN

Stefanie: Wir haben jetzt allgemein über die Geschichte der Brennessel gesprochen, was sind denn so eure persönlichen Meilensteine, Höhepunkte oder besonderen Ereignisse in der Brennessel an die ihr euch gerne erinnert?

Madlen: Da gibt es bei Uta bestimmt deutlich mehr als bei mir, da ich ja erst seit Juni 2020 hier bin, aber ich kannte die Brennessel natürlich schon vorher aus Netzwerken oder aus gemeinsamen Projekten. Zum Beispiel haben wir einen Film gezeigt, über die Entstehung der autonomen Frauenhäuser und hatten dafür auch Kolleginnen aus Bielefeld für eine Gesprächsrunde eingeladen, abends wurde dies dann noch zu einer Tanzveranstaltung. Das war eins unserer ersten größeren Projekte zusammen und das war schon eine schöne, tolle Aktion. MEHR LESEN

Stefanie: Ist eure Arbeitsweise an bestimmte feministische Vorbilder oder ein Grundverständnis angelehnt? Oder habt ihr vielleicht persönlich feministische Vorbilder?

Madlen: Ich habe jetzt keine Feministin im Kopf, wo ich sage, das ist mein Vorbild. Aber was ich hier auch immer wieder merke und was mich begeistert in der Arbeit, ist, dass es hier so viele junge Frauen gibt, die teilweise noch zur Schule gehen, studieren oder eine Ausbildung machen, die ein sehr erfrischendes Verständnis von #Feminismus haben, sich sehr engagieren, teils auch selber sehr negative Erfahrungen gemacht haben. Ihr ganzes Wissen und ihre ganzen Erfahrungen tragen sie hier in der Brennessel zusammen und tragen es auch weiter. Es ist spannend da eine neue Generation von Femnist*innen zu erleben; da nehme ich für mich auch sehr viel mit. MEHR LESEN

Stephanie: Was sind aktuelle oder dringende Herausforderungen, die aus eurer Sicht sofort geändert werden müssten, wo Kämpfe nötig wären?

Uta: Es ist ja überall dieser #Backlash, also Rückwärtstrend. Ich glaube, das macht auch den anderen Frauenzentren in Thüringen sehr viele Bedenken. Dadurch, dass sie jetzt in das Landesprogramm Solidarisches Zusammenleben der Generationen1 Das Landesprogramm Solidarisches Zusammenleben der Generationen ist ein neues Programm der Familienförderung durch das Land Thüringen. Das Land stellt den Kommunen finanzielle Mittel für die familienpolitischen Angebote vor Ort zur Verfügung. Die Kommunen entscheiden jeweils selbst welche Einrichtung und welches Angebot in welcher Höhe gefördert werden. Das Ziel soll es sein, dass die Kommunen an Hand der Bedarfe vor Ort die Förderung von Einrichtungen und Angeboten gestalten. Das Programm existiert seit Anfang 2019. Auch die Frauenzentren fallen unter die Förderung durch das Landesprogramm. Ihre Förderung hatte Bestandsschutz bis Ende 2020. Danach entscheiden die Kommunen, ob eine Förderung weitergeführt wird. Die Frauenzentren haben bereits im Entstehungsprozess des Landesprogramms angemahnt, dass der Bestand der Frauenzentren in manchen Kommunen dadurch gefährdet sein könnte, dass die Sinnhaftigkeit geschlechtsspezifischer Angebote nicht von allen kommunalen Entscheidungsträgern geteilt wird, sie so aus der Förderung herausfallen können und die frauenspezifischen Angebote dadurch noch weniger werden könnten.  eingebunden sind und damit sozusagen in der Förderung nur noch den Kommunen ausgesetzt sind, die sehr verschieden zu ihren Frauenzentren stehen, ist sehr viel Angst da, dass die Frauenzentren ihre geschlechtsspezifischen Angebote überhaupt erhalten können und das nicht zum allgemeinen Familien-Kladderadatsch wird. MEHR LESEN

Stefanie: Gibt es irgendwas, was ihr euch speziell für die Arbeit in der Brennessel wünscht?

Uta: Also ich nehme eine Villa, wo wir einfach viele Projekte mit rein nehmen, so eine Art Haus der Vielfalt oder wie man es auch immer nennen möchte. Wo dann eben ein queeres Zentrum,  auch Prostitutionsschutz  angeboten und, oder eine Fachstelle Sexuelle Gewalt eingerichtet wird. Ein gemeinsamer Ort, wo eben viel passieren kann. Wo unten vielleicht optisch alles offen ist, es größere Räume, Beratungsräume mit verschiedenen Zugängen gibt und natürlich auch eine Sauna im Keller, weil auch oft solch eine Auszeit ein Rückzug sein kann. Also andere Räume brauchen wir so oder so und da stellt sich auch die Frage, ob es man es gleich größer denkt, nach Leuten schaut, mit denen man das realisieren kann. MEHR LESEN

Stephanie: Zum Abschluss: Welche Wege müssten wir zusammen als feministische Landschaft in Thüringen gehen, damit wir gemeinsam kampfstärker werden?

Uta: Ich glaube dieses Sichtbarmachen und Aufspüren ist schon mal eine echt coole Idee. Die Frauenhäuser und -zentren kennt man ja relativ, aber vielleicht gibt es je viele Initiativen, so was vor Ort, was eine enorme Rolle spielt, uns aber unbekannt ist. Das wäre ja schon spannend zu wissen, was es da gibt. Und ich halte einen Austausch zwischen den Generationen sehr wichtig, denn ich finde, es geschieht gerade ein Generationenwechsel. Da sollten wir aufmerksam sein und genau planen, wie der Wechsel vollzogen werden kann und dass wir dabei so viele wie möglich mitnehmen  und erreichen. MEHR LESEN

Stefanie: Vielen Dank für die interessanten Einblicke und Eure Zeit!

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