Interview Frauenhaus Erfurt
Interview Frauenhaus Erfurt

Interview mit Marjana Dunkel vom Frauenhaus Erfurt

Marjana Dunkel ist diplomierte Sozialpädagogin und arbeitet seit 2003 im Frauenhaus in Erfurt. Mit ihr sprachen wir über die vielfältigen Aufgaben, die in einem Frauenhaus bewältigt werden müssen, die Herausforderungen dabei und darüber, wie die Arbeit in Frauenhäusern verbessert werden könnte.

Das Interview führten Stefanie und Natalie am 05. Mai 2021.

Inhaltswarnung: In diesem Interview wird von häuslicher Gewalt berichtet, von Lücken im Versorgungssystem und der Istanbul-Konvention. 

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Das Frauenhaus Gotha gibt es seit 1992. Es ist zuständig für die Stadt und den Landkreis und bietet dort Frauen und deren Kindern, die von körperlicher, seelischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen sind Schutz, Sicherheit, Hilfe und Beratung. Darüber hinaus bieten die Mitarbeiterinnen auch persönliche Beratung unabhängig von der Aufnahme ins Frauenhaus an.

DAS FRAUENHAUS ERFURT

Das Frauenhaus Erfurt ist zuständig für die Stadt Erfurt, den Ilm-Kreis und den Landkreis Sömmerda. Frauen, die von physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt durch Ehepartner*innen, Partner*innen oder Familien betroffen sind, finden dort eine geschützte Unterkunft, anonyme Beratung und weitere Unterstützung. Das Angebot richtet sich an alle Frauen und deren Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft oder Konfession.

Träger: Ev. Stadtmission und Gemeindedienst Erfurt gGmbH

Allerheiligenstr. 9 99084 Erfurt

Telefon: 0361 / 746 21 45 Notruf: 0163 / 888 06 72 Fax: 0361 / 746 21 46

E-Mail: frauenhaus@stadtmission-erfurt.de 

Webseite: www.frauenhaus-erfurt.de

DAS FRAUENHAUS ERFURT INTERVIEW

Natalie: Hallo Marjana. Wie ist denn das Frauenhaus Erfurt strukturiert. Wer arbeitet dort noch und wer hilft euch vielleicht auch ehrenamtlich?

Marjana: Also ich fange mal von ganz oben an. Also unser Träger ist die Ev. Stadtmission und Gemeindedienst Erfurt gGmbH. Die haben natürlich auch Gesellschafter über sich, das ist der Marienstift und der evangelische Kirchenkreis. Die Stadtmission selbst hat mehrere Einrichtungen, was für uns von Vorteil ist, um Synergien nutzbar zu machen. Zum Beispiel wenn wir eine Frau am Telefon oder in der Beratung haben, bei der eher eine Wohnungslosenproblematik vordergründig ist, können wir sie an die Einrichtung der Stadtmission weitervermitteln. Oder wir können für eine Frau, die in der Nacht in einer Krise, ohne Geld und Kleidung, zu uns kommt, auf das Sozialkaufhaus oder auf Nahrungsspenden zurückgreifen. Das ist ein großer Vorteil, was in Vereinsstrukturen vielleicht nicht gegeben ist.MEHR LESEN

Stefanie: Kannst du uns erzählen wann und wie das Frauenhaus in Erfurt entstanden ist?

Marjana: Wir hätten dieses Jahr 30jähriges Jubiläum. Das Frauenhaus in Erfurt ist nach der Wende durch eine Fraueninitiative gegründet worden. Damals gab es Zimmer im ehemaligen Jugendtouristhotel, was es schon gar nicht mehr gibt. MEHR LESEN

Stefanie: Mit dem Ilmkreis und dem Landkreis Sömmerda bedient ihr ja zwei ganz schön große Landkreise. Wenn jetzt eine Frau zum Beispiel ganz aus dem Süden des Ilmkreises akut von Gewalt betroffen ist, wie gestaltet sich das dann. Wie kommt sie dann nach Erfurt?

Marjana: Also entweder ist sie mobil und hat einen PKW und kommt damit oder wenn es tagsüber ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder sie muss die Polizei holen. Mit der Polizei gibt es eine Vereinbarung. Die sind dazu verpflichtet Frauen ins Frauenhaus zu bringen im Zuge eines Einsatzes. Wir haben zwar einen Dienstwagen, aber wir holen aus professioneller Sicht Frauen nicht ab. Also frau muss aktiv werden und hat im Vorfeld telefonisch Kontakt zu uns, wo wir dann auch Empfehlungen aussprechen können wie „Bitte holen Sie die Polizei“. MEHR LESEN

Das vielleicht in der Kürze zu den vielen, vielen Aufgaben. Ich sage immer ein Frauenhaus ist vergleichbar mit einem Unternehmen oder mit einem Hotel. Bei einem Hotel weiß jeder Mensch wie viele Aufgaben dahinterstehen.

Natalie: Was sind denn momentan, vielleicht auch neben Corona, aktuelle Herausforderungen und wie haben die sich im Verlauf der Jahre verändert?

Marjana: Ich bin der Meinung, dass Frauenschutzarbeit immer mit Herausforderungen konfrontiert ist und man kann das auch nicht davon abhängig machen, dass wir gerade in einer Pandemie leben. Unser Fazit ist: Da wir immer mit Krisen zu tun haben und unsere Arbeit Krisenintervention ist, hat uns Corona nicht so umgehauen. MEHR LESEN

Stefanie: Bei all diesen Herausforderungen, gibt es trotzdem Momente bei deiner Arbeit im Frauenhaus, an die du dich gerne erinnerst und die dich vielleicht auch gestärkt haben?

Marjana: Ich glaube, und da spreche ich auch für meine Kolleginnen, diese Arbeit tagein, tagaus umsetzen zu können, geht nur indem man Humor hat und auch eine gewisse Leichtigkeit. Wenn man verbissen ist, ängstlich, nicht belastbar oder keine Flexibilität hat, ist man hier falsch. Wir haben natürlich mit Gewalt und Krisen zu tun, aber wir lachen hier auch viel. MEHR LESEN

Natalie: Wie seht ihr als Frauenhaus Erfurt die aktuelle gesellschaftliche Position und Rolle von Frauenhäusern?

Marjana: Man muss gerade beim Frauenhaus Erfurt immer noch mal sehen, dass wir auch für den Landkreis Sömmerda und für den Ilmkreis zuständig sind. Wir stehen in Erfurt, aber haben ein großes Territorium zu bedienen und da merken wir, dass wir uns gut verortet haben, sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Kostenträgern oder Kooperationspartner*innen. Wir sind gut vernetzt und haben uns wirklich über die Jahre einen guten Stand erarbeitet. MEHR LESEN

Stefanie: Inwieweit ist ein Frauenhaus auch eingebettet in soziale Bewegungen oder in Kämpfe für soziale Gerechtigkeit oder feministische Kämpfe?

Marjana: Frauenhäuser haben immer eine politische und auch eine frauenparteiische und feministische Erklärung des eigenen Tuns, tagein tagaus. Weil wir mit den Themen konfrontiert werden und uns diesen nicht verwehren können oder die Augen zu machen. Wir arbeiten in unseren Strukturen und in unserer Trägerstruktur und es gibt natürlich auch Netzwerke gegen häusliche Gewalt, in denen politische und fachliche Arbeit Selbstverständlichkeit ist. MEHR LESEN

Deshalb benutzen wir auch das Wort „Opfer“ nicht, weil das hat was Negatives und heißt man ist handlungsunfähig. Deshalb sagen wir die Frauen sind von Partnerschaftsgewalt oder von häuslicher Gewalt betroffen, aber sie sind keine Opfer.

Stefanie: Was für Wünsche oder konkrete Forderungen habt ihr für die Arbeit im Frauenhaus und vielleicht auch generell für die feministische und frauenpolitische Landschaft?

Marjana: Wichtig wäre, dass die Arbeit in Frauenhäusern, nicht nur in Erfurt, sondern auch thüringen- und bundesweit, zu einer Pflichtaufgabe werden soll. Dass es bundeseinheitliche Finanzierungsmodelle gibt, dass Gelder laufen, ohne darum kämpfen zu müssen, dass wir personell gut aufgestellt sind in den Leistungsvereinbarungen oder auch in der Frauenhausförderverordnung vom Land, wo aktuell ein Personalschlüssel 1:8 (das bedeutet, dass eine Mitarbeiterin acht Frauen betreut, Anmerkung von Atalante) drinsteht.

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Stefanie: Danke für deine Zeit und das spannende Gespräch.


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