Interview mit Marjana Dunkel vom Frauenhaus Erfurt
Marjana Dunkel ist diplomierte Sozialpädagogin und arbeitet seit 2003 im Frauenhaus in Erfurt. Mit ihr sprachen wir über die vielfältigen Aufgaben, die in einem Frauenhaus bewältigt werden müssen, die Herausforderungen dabei und darüber, wie die Arbeit in Frauenhäusern verbessert werden könnte.
Das Interview führten Stefanie und Natalie am 05. Mai 2021.
Inhaltswarnung: In diesem Interview wird von häuslicher Gewalt berichtet, von Lücken im Versorgungssystem und der Istanbul-Konvention.
Das Frauenhaus Erfurt ist zuständig für die Stadt Erfurt, den Ilm-Kreis und den Landkreis Sömmerda. Frauen, die von physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt durch Ehepartner*innen, Partner*innen oder Familien betroffen sind, finden dort eine geschützte Unterkunft, anonyme Beratung und weitere Unterstützung. Das Angebot richtet sich an alle Frauen und deren Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft oder Konfession.
Träger: Ev. Stadtmission und Gemeindedienst Erfurt gGmbH
Natalie: Hallo Marjana. Wie ist denn das Frauenhaus Erfurt strukturiert. Wer arbeitet dort noch und wer hilft euch vielleicht auch ehrenamtlich?
Marjana: Also ich fange mal von ganz oben an. Also unser Träger ist die Ev. Stadtmission und Gemeindedienst Erfurt gGmbH. Die haben natürlich auch Gesellschafter über sich, das ist der Marienstift und der evangelische Kirchenkreis. Die Stadtmission selbst hat mehrere Einrichtungen, was für uns von Vorteil ist, um Synergien nutzbar zu machen. Zum Beispiel wenn wir eine Frau am Telefon oder in der Beratung haben, bei der eher eine Wohnungslosenproblematik vordergründig ist, können wir sie an die Einrichtung der Stadtmission weitervermitteln. Oder wir können für eine Frau, die in der Nacht in einer Krise, ohne Geld und Kleidung, zu uns kommt, auf das Sozialkaufhaus oder auf Nahrungsspenden zurückgreifen. Das ist ein großer Vorteil, was in Vereinsstrukturen vielleicht nicht gegeben ist.MEHR LESEN
Dann haben wir im Team die Aufgabenverteilung. Unser Team hat sich über die Jahre zu einer Struktur entwickelt, mit der wir aktuell sehr zufrieden sind. Mit unserem Träger, der Stadtmission, haben wir eine Geschäftsführung die uns nach außen vertritt, aber auch als Ansprechpartnerin für Fragen des Teams zur Verfügung steht.
Wir haben uns über die Jahre sehr intensiv mit der Leistungsbeschreibung und auch mit einem Qualitätshandbuch beschäftigt und haben einzelne Aufgaben gut herausgearbeitet und je nach Kompetenzen und auch Leidenschaften den Kolleginnen gewisse Aufgaben zugeschrieben. So hat jede Kollegin ihren Aufgaben- und Kompetenzbereich, wo sie auch autonom die Verantwortung übernehmen muss.
Aktuell sind die Aufgaben, die ich neben der Arbeit mit den Frauen und Kindern und anderen kleineren Sachen im Team innehabe, Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit sowie Schulungen und Präventionsangebote. Dieser Bereich ist aktuell nicht so gut ausgefüllt, da es leider derzeit keine Angebote geben kann. Das ist bedauerlich, da insbesondere Multiplikator*innenschulungen sehr wertvoll sind. Wir im Team finden, und ich glaube das könnt ihr auch bestätigen im Rahmen eurer Tätigkeit, dass das Thema Gewalt gegen Frauen noch nicht in aller Munde ist, sondern noch immer ein Tabu-Bereich und unter Umständen ist es auch gut und auch wichtig Personen, die mit Frauen oder auch mit gewaltausübenden Personen kooperieren oder zusammenarbeiten, ein Stück weit für das Thema zu sensibilisieren und zu Sensibilisierung gehört selbstverständlich auch, den Menschen ein entsprechendes Handlungsrepertoire zur Verfügung zu stellen mit dem großen Slogan „Das Schweigen brechen“.
Das vielleicht in der Kürze zu den vielen, vielen Aufgaben. Ich sage immer ein Frauenhaus ist vergleichbar mit einem Unternehmen oder mit einem Hotel. Bei einem Hotel weiß jeder Mensch wie viele Aufgaben dahinterstehen. Es gibt natürlich auch Lücken in der personellen Aufstellung. Das ist zum einen der hauswirtschaftliche Bereich. Die Stelle ist aktuell nicht besetzt. Das heißt, wir müssen auch diesen ganzen Part absolvieren und das unter Corona-Bedingungen, wo Hygiene sehr großgeschrieben wird. Einen Hausmeister können wir von der Stadtmission nutzbar machen und wir haben auch ein Pool von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und einen ehrenamtlichen Mitarbeiter, der uns bei Fragen zu Technik und EDV zur Verfügung steht. Eine Rentnerin kommt zum Bügeln, was auch eine große Entlastung ist und eine ehemalige Praktikantin ist bei uns im ehrenamtlichen Team. Sie hilft uns bei der Arbeit mit den Frauen, begleitet mal einen Gang zur Behörde oder mal Erfurt zeigen, wenn es eine ortsfremde Frau ist, damit sie sich auch gut in der neuen Umgebung auskennt. Aber diese ehrenamtliche Tätigkeit schläft seit einem Jahr, da wir keine Erlaubnis haben noch mehr fremde Personen ins Haus kommen zu lassen. So viel zu den Strukturen.
Stefanie: Kannst du uns erzählen wann und wie das Frauenhaus in Erfurt entstanden ist?
Da war dann der Wir-Garten, wo das abgerissen wurde. Mittlerweile wird da neu gebaut. Danach gab es unterschiedliche Immobilien. Das erste, das man auch Frauenhaus genannt hatte, war eine 5-Raum-Wohnung am Buchenberg in Erfurt. Danach gab es größere Immobilien mit mehr Zimmern, wo die Personellen und auch die räumlichen Strukturen entsprechend der Zielgruppe aufgebaut wurden. Über die Jahre hat im Frauenhausbereich in den neuen Bundesländern dieser Prozess von Professionalisierung und auch Institutionalisierung stattgefunden, wie es auch in den alten Bundesländern war. Wir sind da ein stückweit anders in der Entwicklungsphase zu betrachten im Vergleich zu unseren Kolleginnen in den alten Bundesländern. Die Stadtmission ist seit 1992 Träger. Vorher war das Frauenhaus kommunal, so wie die meisten Frauenhäuser. Danach gab es die Ausschreibung und die Stadtmission hat praktisch das Frauenhaus übernommen.
Stefanie: Mit dem Ilmkreis und dem Landkreis Sömmerda bedient ihr ja zwei ganz schön große Landkreise. Wenn jetzt eine Frau zum Beispiel ganz aus dem Süden des Ilmkreises akut von Gewalt betroffen ist, wie gestaltet sich das dann. Wie kommt sie dann nach Erfurt?
Marjana: Also entweder ist sie mobil und hat einen PKW und kommt damit oder wenn es tagsüber ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder sie muss die Polizei holen. Mit der Polizei gibt es eine Vereinbarung. Die sind dazu verpflichtet Frauen ins Frauenhaus zu bringen im Zuge eines Einsatzes. Wir haben zwar einen Dienstwagen, aber wir holen aus professioneller Sicht Frauen nicht ab. Also frau muss aktiv werden und hat im Vorfeld telefonisch Kontakt zu uns, wo wir dann auch Empfehlungen aussprechen können wie „Bitte holen Sie die Polizei“. MEHR LESEN
Wenn es tagsüber ist und die gewaltausübende Person ist gerade nicht im Umfeld, kann sie ja im Rahmen ihrer Verwandtschaft oder sozialer Netzwerke oder auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu uns kommen. So ist auch unser Konzept. Die Frauen sollen handlungsfähig gemacht werden und auch bleiben. Es bringt nichts ihnen alles abzunehmen. In der Krise schaffen wir natürlich Entlastung, kein Thema, aber unser Konzept ist dieses, dass Frauen auch empowert werden und Selbstwirksamkeit zurückerhalten und bestärkt werden. Wir sind keine Mitarbeiterinnen, die alles abnehmen, sondern frau soll und kann es selbst schaffen – mit Unterstützung.
Deshalb benutzen wir auch das Wort „Opfer“ nicht, weil das hat was Negatives und heißt man ist handlungsunfähig. Deshalb sagen wir die Frauen sind von Partnerschaftsgewalt oder von häuslicher Gewalt betroffen, aber sie sind keine Opfer. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses betrachten häusliche Gewalt im gesamten Familiensystem, jedoch unterscheiden wir im Rahmen der Fallanalyse und entsprechender Sicherheits- und Gefahreneinschätzung nach unterschiedlichen Gewaltmustern. Das ist wichtig, um Interventionen als auch Unterstützungsleistungen einzelfallbezogen gut abstimmen zu können. Ziel aller Interventionen ist stets das Beenden von Gewalt und das Aufzeigen von gewaltfreien Lebensperspektiven. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein zentraler Bestandteil unserer Handlungsleitlinien.
Dabei ist auch hinderlich, dass Gewalt gegen Frauen noch immer so ein Tabu-Thema ist. Dadurch fällt es den Frauen schwer sich dazu zu äußern, es gibt eine große Scham und auch Schuldgefühle, weil es auch gesellschaftlich noch nicht transparent ist, dass wir in patriarchalen Strukturen leben und sich das nicht zeitnah ändern wird. Und das zeigt sich auch im Arbeitsfeld Frauenhaus und in dem Themenkomplex häusliche Gewalt.
Das vielleicht in der Kürze zu den vielen, vielen Aufgaben. Ich sage immer ein Frauenhaus ist vergleichbar mit einem Unternehmen oder mit einem Hotel. Bei einem Hotel weiß jeder Mensch wie viele Aufgaben dahinterstehen.
Natalie: Was sind denn momentan, vielleicht auch neben Corona, aktuelle Herausforderungen und wie haben die sich im Verlauf der Jahre verändert?
Marjana: Ich bin der Meinung, dass Frauenschutzarbeit immer mit Herausforderungen konfrontiert ist und man kann das auch nicht davon abhängig machen, dass wir gerade in einer Pandemie leben. Unser Fazit ist: Da wir immer mit Krisen zu tun haben und unsere Arbeit Krisenintervention ist, hat uns Corona nicht so umgehauen. MEHR LESEN
Wir sind es gewohnt, in Krisenmodus zu arbeiten, wir müssen gut aufgestellt sein, besonnen handeln, nicht in Hektik oder Stress ausarten, was uns nicht immer gelingt, aber wir sind es gewohnt im Krisenmodus gut handlungsfähig zu bleiben. Vor Herausforderungen, wie ich es anfangs schon gesagt habe, stehen wir immer.
Frauenhäuser sind eine freiwillige Leistung für Kommunen oder auch den Bund und keine Pflichtleistungen. Das wäre vielleicht eine neue Option, dass sich da durch die Covid19-Pandemie eventuell etwas zum Positiven ändern würde, da das Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder mehr in den öffentlichen Diskurs und Fokus getreten ist.
Die Herausforderungen sind diese, dass wir unter Umstände Frauen und Kinder haben, die bei uns nicht gut versorgt werden. Wir sind ein niedrigschwelliges Angebot, wo per Telefon und Abklärung Unterkunft und Beratung zur Seite gestellt wird. Nichtsdestotrotz gibt es auch Frauen, die einfach nicht in unserem Frauenhaus aufgenommen werden können. Das sind Frauen mit Alkoholproblemen, Frauen mit Drogenprobleme oder Frauen mit Behinderungen. Das wäre noch eine Herausforderung, dass Konzepte entwickelt werden und das mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention Versorgungslücken erkannt werden und diesbezüglich auch Gelder zur Verfügung gestellt werden, um allen Frauen, wie es in der Istanbul-Konvention gefordert ist, Schutz und Unterstützung zur Seite stellen zu können.
Ich bin schon seit gut 20 Jahren in dem Bereich tätig. Über die Jahre entwickelt man andere Blickrichtungen oder Fokussierungen auf die Arbeit. Mir ist es über die Jahre sehr wichtig geworden, dass auch die Menschen, die diesen Beruf ausfüllen und jeden Tag mit Krisen zu tun haben und von schwerer Gewalt hören, dass auch diesen Angestellten und auch Ehrenamtlichen die Wertschätzung für das, was sie tun, entgegengebracht wird. Ich würde mir wünschen, dass alle Menschen, die im Frauenschutz, bundesweit arbeiten und sich über viele Jahre diesem doch sehr schwierigen Arbeitsfeld stellen, auch entsprechend Wertschätzung erhalten, in Form von Anpassung von Gehältern, Freizeitausgleich und dass es uns erspart bleibt über finanzielle Mittel zu streiten und mit Kostenträgern in Verhandlung zu treten. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauenhäuser Geld kosten und dazu muss Gesellschaft und Staat bereit sein, ohne dass die Mitarbeiterinnen, die manchmal eh gar nicht wissen wo hinten und vorne ist, sich darum auch noch kümmern müssen. Das wäre mein Wunsch.
Stefanie: Bei all diesen Herausforderungen, gibt es trotzdem Momente bei deiner Arbeit im Frauenhaus, an die du dich gerne erinnerst und die dich vielleicht auch gestärkt haben?
Marjana: Ich glaube, und da spreche ich auch für meine Kolleginnen, diese Arbeit tagein, tagaus umsetzen zu können, geht nur indem man Humor hat und auch eine gewisse Leichtigkeit. Wenn man verbissen ist, ängstlich, nicht belastbar oder keine Flexibilität hat, ist man hier falsch. Wir haben natürlich mit Gewalt und Krisen zu tun, aber wir lachen hier auch viel. MEHR LESEN
Wir lachen auch mit den Bewohnerinnen und das ist wichtig. Man muss eine Balance haben, indem man traurige Momente gut aushalten kann, aber man darf nicht das reale Leben vergessen. Auch die Frauen. Sie wohnen im Frauenhaus und leben hier mit anderen Frauen zusammen. Sie haben freudige Momente und sie haben natürlich auch schlechte Momente.
Es ist für die Frauen auch nochmal eine extra Herausforderung neben Krisen und Gewalt ad hoc mit wildfremden Personen eine Wohngemeinschaft zu gründen. Mittlerweile werden ja Wohngemeinschaften gecastet, um den oder die richtige zu finden, aber das geht hier nicht. Man wird über Nacht in eine Gemeinschaft hineingeworfen, nach einer akuten Gewaltsituation und muss mit den anderen Frauen und Kindern Küche, Bad und Toilette teilen und das Ganze auch noch unter unterschiedlichen sozialen Schichten und auch im interkulturellen Kontext. Das ist eine Herausforderung und das gelingt nicht immer, sodass wir als Mitarbeiterinnen die Haussituation gut im Blick haben müssen und auch diesbezüglich den Frauen Handlungsempfehlungen aussprechen, damit dieses gemeinsame Zusammenleben gelingt.
Natalie: Wie seht ihr als Frauenhaus Erfurt die aktuelle gesellschaftliche Position und Rolle von Frauenhäusern?
Marjana: Man muss gerade beim Frauenhaus Erfurt immer noch mal sehen, dass wir auch für den Landkreis Sömmerda und für den Ilmkreis zuständig sind. Wir stehen in Erfurt, aber haben ein großes Territorium zu bedienen und da merken wir, dass wir uns gut verortet haben, sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Kostenträgern oder Kooperationspartner*innen. Wir sind gut vernetzt und haben uns wirklich über die Jahre einen guten Stand erarbeitet. MEHR LESEN
Zur Rolle des Frauenhauses: Ich sage oft, dass Frauenhäuser immer auch ein Spiegelbild der aktuellen gesellschaftlichen Situation sind. Man kann an den Frauen, die wir aufnehmen, neben der Gewalt und anderen prekären Lebenslagen, gut einen Vergleich zu dem ziehen, was gesellschaftlich gerade schwierig ist und wo es Herausforderungen und Schieflagen gibt. Das finde ich ist immer ein guter Bereich, um auch mich und meine Arbeit zu reflektieren. Das, was die Frauen neben der Gewalt an Situationen mitbringen, liegt ganz oft auch obenauf, wo gesellschaftliche Missstände offengelegt und sichtbar werden.
Die Frauenhäuser, so ist meine Haltung, sind wichtig. Ohne Frauenhäuser hätten Frauen keinen Schutz. Es gibt aber zu wenig Plätze. Da müsste unbedingt nachgebessert werden. Laut Istanbul-Konvention müssten doppelt so viele Plätze in Thüringen geschaffen werden. Das heißt, auf der politischen Ebene wird es für Frauenhäuser nie langweilig, es gibt immer Herausforderungen und man sollte sich als Mitarbeiterin in Frauenhäusern auch mit politischen Themen gut auseinandersetzen und mit interkulturellen Kontexten, um entsprechend auf die Zielgruppe reagieren zu können und natürlich auch fachlich-inhaltlich kompetent zu handeln. Selbst die Situation der Belegung hat sich über die Jahre seit 2015 logischerweise geändert. Durch den erhöhten Anteil von Frauen mit Migrationserfahrung sind diese natürlich auch mehr in Frauenhäuser eingezogen und nehmen Gott sei Dank den Schutz und die Unterstützung in Anspruch und das meine ich damit, dass sich in Frauenhäuser ganz oft aktuelle gesamtgesellschaftlich inhaltliche oder politische Themen wiederfinden.
Stefanie: Inwieweit ist ein Frauenhaus auch eingebettet in soziale Bewegungen oder in Kämpfe für soziale Gerechtigkeit oder feministische Kämpfe?
Marjana: Frauenhäuser haben immer eine politische und auch eine frauenparteiische und feministische Erklärung des eigenen Tuns, tagein tagaus. Weil wir mit den Themen konfrontiert werden und uns diesen nicht verwehren können oder die Augen zu machen. Wir arbeiten in unseren Strukturen und in unserer Trägerstruktur und es gibt natürlich auch Netzwerke gegen häusliche Gewalt, in denen politische und fachliche Arbeit Selbstverständlichkeit ist. MEHR LESEN
Oder durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringer Frauenhäuser, wo eben auf fachliche und politische Missstände von allen Thüringer Häusern aufmerksam gemacht wird. Ich war viele Jahre Sprecherin für Thüringen und auch auf Bundeseben und da ist man politisch aktiv in seiner Rolle als Mitarbeiterin im Frauenhaus. Das ist eine hochverantwortliche Arbeit, die vollzogen wird, um die Frauenhäuser mit finanziellen Existenzmöglichkeiten zu sichern, Bedingungen für die Mitarbeiterinnen und für die Bewohnerinnen nach Qualitätsstandards beizubehalten, dass Finanzierungsgrundlagen entsprechend der Leistungsbeschreibung der Häuser umgesetzt werde und das ist eindeutig politische Arbeit. In vielen Gremien werden Forderungen mit anderen Einrichtungen oder Häusern erarbeitet, die an politische Vertreter*innen getragen werden. Insofern denke ich mal kommt man ohne dass man politisch aktiv ist, in dem Arbeitsfeld nicht so weit voran und deshalb ist das auch originärer Bestandteil unserer Arbeit. Die Arbeit mit den Frauen im Haus hat natürlich immer Vorrang und auch Störungen oder Krisen im Haus und anderen Sachen müssen dann in dem Moment warten. Da merken wir deutlich, dass wir seit einem Jahr unterbesetzt sind. Wir haben ja auch Bereitschaftsdienste zu absolvieren neben unserer Arbeitszeit, weil wir 24 Stunden erreichbar sind und wir nehmen dann auch die Arbeit und das Handy mit nach Hause.
Da hatten wir früher das Model, das eine Kollegin eine ganze Woche das Handy mit nach Hause nimmt und entsprechend übers Telefon Clearing oder im Einzelfall auch Aufnahme zu unterschiedlichen schlechten und guten Zeiten absolvieren muss. Seit 4 oder 5 Jahren haben wir jetzt aber das Modell, dass jede Kollegin ihren festen Bereitschaftstag in der Woche hat und ein Wochenende im Monat und das läuft ganz gut. So absolvieren wir neben unserer normalen Arbeitszeit 16 Stunden Bereitschaft im Monat.
Deshalb benutzen wir auch das Wort „Opfer“ nicht, weil das hat was Negatives und heißt man ist handlungsunfähig. Deshalb sagen wir die Frauen sind von Partnerschaftsgewalt oder von häuslicher Gewalt betroffen, aber sie sind keine Opfer.
Stefanie: Was für Wünsche oder konkrete Forderungen habt ihr für die Arbeit im Frauenhaus und vielleicht auch generell für die feministische und frauenpolitische Landschaft?
Marjana: Wichtig wäre, dass die Arbeit in Frauenhäusern, nicht nur in Erfurt, sondern auch thüringen- und bundesweit, zu einer Pflichtaufgabe werden soll. Dass es bundeseinheitliche Finanzierungsmodelle gibt, dass Gelder laufen, ohne darum kämpfen zu müssen, dass wir personell gut aufgestellt sind in den Leistungsvereinbarungen oder auch in der Frauenhausförderverordnung vom Land, wo aktuell ein Personalschlüssel 1:8 (das bedeutet, dass eine Mitarbeiterin acht Frauen betreut, Anmerkung von Atalante) drinsteht.
In meiner Zeit als Sprecherin hatten wir 1:5 gefordert, was auch realistisch ist. Wenn ihr bedenkt und gehört habt, was wir alles neben der Arbeit mit den Frauen noch leisten müssen, ist das ein gerechtfertigter Personalschlüssel und so könnte Frauenhaus auch die frauenpolitischen Themen breiter an die Öffentlichkeit bringen und sich aktiv damit auseinandersetzen und für die Rechte der Frauen, die Gewalt erleben, noch mehr in den Fokus der Gesellschaft bringen. Dazu bedarf es einfach noch mehr Arbeitszeit, aber die haben wir nicht. Also eine bessere personelle Ausstattung von Frauenhäusern wäre wünschenswert.
Es wäre weiterhin wünschenswert, dass es auch Angebote gibt für Frauen, denen wir derzeit nicht gerecht werden können. Eine Frau abzulehnen und nach anderen Strukturen oder Unterbringungsmöglichkeiten zu gucken, ist auch anstrengend und kostet unter Umständen mehr Zeit, um der Frau auch in ihrer schweren Krisensituation Unterstützung leisten zu können. Dass sich die Landschaften nach unterschiedlichen Zielgruppen und Bedarfen orientiert, wäre auch noch ein Wunsch und dass Frauenhäuser einfach auch von der Ausstattung besser dastehen. Also wir mit unserem großen Träger können uns nicht beschweren. Wir haben Geld, wir haben auch ganz viele Spenden bekommen, was auch eine frauenpolitische Arbeit ist, dieses Thema zu transportieren, um Spenderinnen für die Arbeit zu gewinnen, aber ich glaube es gibt auch Vereine und Strukturen, die müssen um jedes Kopierpapier betteln und haben nicht so ein großes finanzielles Budget und wir merken das manchmal auch. Wir haben eine hohe Ein- und Auszugswelle, wobei bestimmte Möbel oder auch die ganze Einrichtung einfach Abnutzungsspuren zeigen. Wir geben unser bestes, das in den Zimmern und Räumlichkeiten alles sauber und ordentlich ist und auch nichts kaputt oder beschädigt ist. Die Frauen und Kinder kommen aus beschädigten Systemen und da sollte in einem Frauenhaus nichts beschädigt und kaputt sein, um den Frauen in diesem Schritt genügend Wertschätzung für ihre konsequente Handlung zu geben. Das gelingt uns aber auch nicht immer, obwohl es so wichtig ist. Deshalb wäre es auch ein Wunsch, dass wir eine Hauswirtschafterin haben mit 20 Stunden in der Woche, die das Haus sauber hält, sodass man einem gewissen ästhetischen Anspruch gerecht wird, um sich wohlzufühlen und ankommen zu können. Räumliche Strukturen sind nicht zu unterschätzen, weil das auch eine Wertschätzung ist gegenüber den Menschen, die dieses Angebot freiwillig in Anspruch nehmen.
Stefanie: Danke für deine Zeit und das spannende Gespräch.
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