Interview Binko
Interview Binko

Interview mit Yvonne Maul vom Frauenkommunikationszentrum BINKO in Hildburghausen

Im Interview sprachen wir mit ihr über die Entstehung des BINKO, die Herausforderungen der Arbeit im ländlichen Raum und unter schwierigen strukturellen Bedingungen sowie über ihre Zukunftsträume von einem Mehrgenerationenprojekt in Hildburghausen.

Das Interview führten Natalie und Sabine am 21. Dezember 2020.

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Im Interview sprachen wir mit ihr über die Entstehung des BINKO, die Herausforderungen der Arbeit im ländlichen Raum und unter schwierigen strukturellen Bedingungen sowie über ihre Zukunftsträume von einem Mehrgenerationenprojekt in Hildburghausen.
Das Frauenkommunikationszentrum BINKO in Hildburghausen gibt es seit 2001. Es ist seit 2018 in der Trägerschaft der Diakonischen Sozialen Dienste Sonneberg und richtet sich vorrangig an Frauen, aber auch an Eltern, unabhängig vom Alter, ihrer Herkunft, ihrem Aufenthaltsstatus und ihren finanziellen Bedingungen. Sie finden dort Unterstützung und Beratung für Frauen als Hilfe zur Selbsthilfe und in besonderen Lebenslagen und einen Ort der Begegnung, der Kommunikation und der Information, aber auch Bildungs- und Kulturveranstaltungen.

DAS BINKO IN HILDBURGHAUSEN

Das Frauenkommunikationszentrum BINKO in Hildburghausen gibt es seit 2001. Es ist seit 2018 in der Trägerschaft der Diakonischen Sozialen Dienste Sonneberg und richtet sich vorrangig an Frauen, aber auch an Eltern, unabhängig vom Alter, ihrer Herkunft, ihrem Aufenthaltsstatus und ihren finanziellen Bedingungen. Sie finden dort Unterstützung und Beratung für Frauen als Hilfe zur Selbsthilfe und in besonderen Lebenslagen und einen Ort der Begegnung, der Kommunikation und der Information, aber auch Bildungs- und Kulturveranstaltungen. 

Adresse: Binko, Obere Marktstraße 43 98646 Hildburghausen Telefon: 03685/405200 E-Mail: binko@dsd-sonneberg.de Webseite

DAS BINKO INTERVIEW

Sabine: Hallo Frau Maul. Sie arbeiten in Hildburghausen ganz im südlichen, ländlichen Thüringen, an der Grenze zu Bayern. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dort?

Nach fast 20 Jahren ist als Hauptbestandteil der Tätigkeit ist im Prinzip die offene Seniorenarbeit mit Frauen übriggeblieben, was die Arbeit des Frauenzentrums angeht. In den Anfängen vor neunzehn Jahren war es vor allem die Qualifikation von arbeitssuchenden Frauen, die durch die Wende ihre Arbeit verloren hatten. Da gab es noch ganz viele Frauen, die nachqualifiziert und umgeschult werden mussten. Zu diesen Maßnahmen ist flankierend das Frauenzentrum eröffnet worden, zusammen mit einer Schuldnerberatung und einem Bewerbungszentrum, als Komfortzone für Frauen aus einem Guss. Das eigentlich Feministische stand nicht so im Vordergrund wie vielleicht in Erfurt – diese Zielgruppe erscheint hier nicht. Die Zielgruppe Transgender tritt eher nicht in Erscheinung und wir haben auch wenig gleichgeschlechtliche Paare oder Anfragen dazu. Die suchen sich dann gleich irgendwo in größeren Städten eine Community – das wird hier auf dem Land nach wie vor schwierig. Die Vorstellung für queeres Leben ist auch hier im ländlichen Raum nicht da. Ich kenne viele Frauen, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften eingehen würden, dass aber nicht wollen und diese Frauen sind sehr verschwiegen zum Thema. Das ist auch der Generation geschuldet. Junge Menschen, welche mit dem Selbstverständnis aufwachsen sind, dass egal wie sie sind, sie als Mensch wertgeschätzt werden, die gehen gleich in die größeren Städte oder gehen in Foren oder Chats oder suchen sich eine eigene Community. Das erlebe ich hier so. MEHR LESEN

Sabine: Ja, absolut. Deswegen ist es ja dann auch super wichtig, dass es eine Anlaufstelle gibt und das es wenigstens den Ort gibt, wo das thematisiert wird, wo sich Menschen dafür einsetzen. Wie ist denn das mit Ehrenamtlerinnen? Erhalten Sie da noch Unterstützung?

Yvonne: Nun, zu großen Veranstaltungen oder besonderen Highlights, dann sind immer Ehrenamtliche da. Wir sprechen die Frauen gezielt an und Fragen nach um Hilfe und Unterstützung. Oder man nutzt dann ein Format, dass es schon gibt und wo es einen Ansprechpartner gibt. Jedoch eine eigene Dynamik mit, ich nenne es mal „Arbeitsgruppen“, konnten sich leider nicht etablieren. Nein- die Sozialisation der Frauen in der DDR bringt mit sich, dass wenig Eigeninitiative entstehen konnte. MEHR LESEN

Natalie: Ich würde nochmal ganz kurz gern auf die Entstehungsgeschichte eingehen. Sie haben ja gesagt, Sie sind schon seit sechs Jahren dabei, könnten Sie uns da noch ein bisschen erzählen wie das BINKO entstanden ist?

Yvonne: Vor neunzehn Jahren wurde das BINKO im März gegründet, das war sogar analog mit einer Frauentagsfeier. Damals noch unter der Trägerschaft der Frauenakademie. Ein ganz formidabler Name, der aber irreführend war. Die Leute sind davon ausgegangen, dass es eine Akademie ist, es also eine akademische Ausbildung oder Qualifikation gibt. Der Name war ein bisschen heroisch angehaucht und das hat auch zu Verunsicherungen geführt und dann haben sie es auch noch BINKO mit K genannt, also Bildung, Information und Kommunikation. Dies sind unter anderem die Gründe, dass es nicht so im Bewusstsein verankert wurde, weil es eben auch keinen regionalen Bezug in der Benennung gibt. Man hätte es auch “Therese”, das ist die Prinzessin von Hildburghausen, oder “die Dunkelgräfin” nennen können. BINKO – da denken die Leute immer an Glücksspiel. MEHR LESEN

Also Stichwort Mettigel auf dem Buffett, keiner will ihn mehr, aber er wird immer drauf gestellt, schön mit Nelken und Salzstangen.

Natalie: Sie haben erzählt, dass Sie Schwierigkeiten haben die Leute aus den verschiedenen Regionen zu erreichen. Ist das eine aktuelle Problematik oder beschäftigt das das BINKO schon länger?

Yvonne: Die Besonderheit, dass das Frauenzentrum jetzt nicht so eine zentrale Anlaufstelle wurde für die Bedarfe der Frauen, das war von Anfang an dem Flächenlandkreis geschuldet. Vor dreißig Jahren waren die Frauen, die jetzt siebzig oder fünfundsiebzig sind, in Arbeit. Teilweise schon fast ihr ganzes Leben, waren dort in Ausbildung, wo sie lebten und hatten kein Fahrzeug und keinen Führerschein, das ist nach wie vor so. Also die konnten und können auch gar nicht mobil nach Hildburghausen kommen und dadurch, dass nur eine Personalstelle gefördert wurde, konnten die Angebote und Beratungen nicht auf den ganzen Landkreis übertragen werden. Außensprechstunden waren organisatorisch und finanziell kaum durchführbar. MEHR LESEN

Natalie: Da wäre die Frage, wenn Sie eine Sache sofort ändern könnten, was wäre das? Aber ich glaube das wäre das Wort Eigeninitiative, stimmt das?

Yvonne: Nein, diese Frage würde ich eher mit der Zielgruppenerweiterung beantworten. Es ist nicht mehr zeitgemäß mit nur einer Zielgruppe. Wenn ich sehe, wie sich ein #Hospiz – Verein gegründet hat und was da für ein Zulauf ist und für eine Spendenbereitschaft und auch ehrenamtliches Engagement, da wünsche ich mir eigentlich ein großes Haus für viele Generationen und dass ich dort ein Angebot von vielen bin. Und hier im BINKO treffen sich heterogene Gruppen, das heißt Frauen aus verschiedenen „Schichten“ sitzen zusammen und sie eint, dass sie alt und einsam sind. Wir sind im Prinzip die Vorstelle zum Altersheim. In die Volkshochschule wollen sie nicht mehr, weil sie sich nicht verbindlich anmelden wollen über ein viertel Jahr und auch nicht in Vorkasse gehen wollen. Fürs Altersheim sind sie noch zu fit – also kommen sie zu mir. Aber schöner wäre es, wenn sie homogen wären, wenn sie sich einfach nach ihren Interessen und Neigungen und ein Stück weit auch nach ihrem Bildungsgrad treffen könnten in Gruppen. Das kann ich hier mit schlechten Rahmenbedingungen und nur einer Personalunion nicht ableisten. Da muss ein #Mehrgenerationenhaus her oder eine Begegnungsstätte, wo einfach differenziert werden kann. MEHR LESEN

Natalie: Wie lange gibt es den neuen Träger schon? Und gibt es Überlegungen die Personalstellen aufzustocken?

Yvonne: Der Träger ist schon viele Jahre ein etablierter Anbieter verschiedener sozialer Dienstleistungen. Das Frauenzentrum ist nun seit März 2019 im Portfolio. Der neue Träger übernahm des Zentrums in „Bausch und Bogen“. Eine Erweiterung des Projekts personell, inhaltlich oder räumlich kommt erst 2021 auf den Tisch, denn dann wird der neue Sozialraumplan aufgestellt und der Bestandsschutz der Frauenzentren thüringenweit fällt weg. Also Stichwort Mettigel auf dem Buffett, keiner will ihn mehr, aber er wird immer drauf gestellt, schön mit Nelken und Salzstangen. MEHR LESEN

Sabine: Gibt es feministische Kämpfe in der Vergangenheit oder aktuell, mit denen Sie sich verbunden fühlen, die Vorbilder sind oder eine Grundhaltung in der Arbeit?

Yvonne: Als ich mich auf die Fragen vorbereitet habe, habe ich überlegt, wer denn mein Vorbild ist? Ich glaube dadurch, dass ich zu DDR Zeiten groß geworden bin, hab ich mich eigentlich nie gefragt: „Was will ich als Frau?“, weil für uns war das immer selbstverständlich. Das erste Mal, als ich mich selber gefragt hab, ob das jetzt Glück war oder nicht, war bei einer Weiterbildung. Dort hat eine Dame aus den alten Bundesländern gesagt „Ihr Ostfrauen, ihr wisst doch gar nicht wie gut ihr es hattet“. Also das war mir nicht bewusst, das waren Selbstverständlichkeiten, die wir hatten. Dass eine Frau alleine ihre Kinder großziehen kann, dass sie staatliche Unterstützung bekommt, dass sie Kaufverträge abschließen kann, dass sie sich Arbeit suchen kann, dass sie abtreiben kann, dass sie verhüten kann. Mit diesem Selbstverständnis bin ich groß geworden. Und auch in meinem Umfeld haben Frauen und Männer gleichberechtigt ihr Leben gestaltet. Von daher hab ich das nie hinterfragt, dass kam eher mit dem Älterwerden, wo ich dann gedacht hab: „Ach guck an, so einfach hatten es andere gar nicht“.

Gefallen hat mir immer diese Regine Hildebrandt, diese Politikerin aus Brandenburg, die leider schon verstorben ist. Dieses beim Namen nennen und sie hat ja jetzt nicht nur speziell für Frauen gekämpft, aber sie hat sich eingesetzt.

Und ja, wichtig ist mir natürlich die Unversehrtheit, wenn man selber Mutter ist – ich hab eine Tochter – das wünscht man sich glaube ich für jede Frau und für jedes Mädchen, dass sie unversehrt bleiben.[/read]

Dass eine Frau alleine ihre Kinder großziehen kann, dass sie staatliche Unterstützung bekommt, dass sie Kaufverträge abschließen kann, dass sie sich Arbeit suchen kann, dass sie abtreiben kann, dass sie verhüten kann. Also mit diesem Selbstverständnis bin ich groß geworden.

Natalie: Bleibt noch die Frage nach dem in zwanzig Jahren, wie sieht die Situation in Hildburghausen in zwanzig Jahren aus? So als kleine Utopie vielleicht?

Yvonne: Reell weiß ich schon, wie es in zwanzig Jahren aussieht. Also heroisch gesagt wäre es schön, wenn in zwanzig Jahren ein Frauenzentrum nicht mehr notwendig ist, was jetzt so frauenspezifische Themen angeht. Allein die Evolution wird es nicht zulassen, dass irgendwann Männer und Frauen gleich sind, das hat die Natur nicht vorgesehen. Und die Frage ist ja auch, wer soll denn die Sorgeleistungen übernehmen. Schön wäre es, wenn über diese Rollenbilder irgendwann gar nicht mehr diskutiert werden muss. Wichtig ist es, Strukturen zu schaffen, da muss man schon darüber sprechen, wer übernimmt welche Aufgabe, Sorgeleistung. Wer bleibt bei den Kindern zuhause, wer macht die Sorgearbeit, wer kümmert sich um die Angehörigen. Und rein biologisch ist die Frau diejenige, die die Kinder bekommt, das ist einfach so. MEHR LESEN

Natalie: Was sind denn so Erinnerungen der letzten sechs Jahre, an die Sie gerne zurückdenken im Rahmen Ihrer Arbeit? Was waren Höhepunkte, was hat Sie empowert, was hat jemand anderem gut getan, was sind da so die Erinnerungen, die sofort aufgeploppen gerade?

Yvonne: Das ist zum einen die jährliche zentrale Frauentagsfeier für den Landkreis, das ist immer ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Am Anfang hab ich gedacht: „Gleich kommt die Margot Honecker, mit Grußworten und Nelken“. Teilweise erhielten die Frauen eine Nelke von den anwesenden Vertretern der Partei „Die LINKE“. Ich hader immer noch mit den Nelken, das erinnert mich noch so an DDR. Aber die Frauen empfinden das immer als wunderbar, dass sie da den Nachmittag zusammensitzen, der Landrat sagt was, der Bürgermeister sagt was, die Kommunalpolitiker oder die Landespolitiker sagen was. Wir haben stets ein ansprechendes kulturelles Programm und die genießen das. MEHR LESEN

Sabine: Bevor wir zum Schluss kommen, gibt es noch etwas, wonach wir noch gar nicht gefragt haben, was Sie aber gerne noch loswerden möchten?

Yvonne: Nein, aber Ich danke auf jeden Fall für das Interesse. Es ist schön, dass mal jemand von außen interessiert ist, was wir hier so auf dem Land machen.

Sabine: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und für die interessanten Perspektiven.

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